Haan Fundtieren eine Heimat geben

Haan · Die Aktionsgemeinschaft Tiere (AGT) versucht, Katzen, Hunden und anderen Tieren ein neues zu Hause zu vermitteln. Aktuell fehlt es an Pflegestellen. Der Verein unter Vorsitz von Christa Becker aus Haan setzt sich auch für Verbesserungen im Tierschutz ein.

 Christa Becker ist auf dem elterlichen Bauernhof mit Tieren groß geworden. In ihrem Haus beherbergt sie zahlreiche Fundkatzen.

Christa Becker ist auf dem elterlichen Bauernhof mit Tieren groß geworden. In ihrem Haus beherbergt sie zahlreiche Fundkatzen.

Foto: Anja Tinter

Eigentlich ist das Frühjahr die Zeit der Katzenkinder. Aber in diesem Jahr ist die pelzige Nachwuchsflut schon vor Weihnachten gekommen. Die Aktionsgemeinschaft für Tiere (AGT), deren Vorsitzende die Haanerin Christa Becker ist, sucht händeringend nach Menschen, die Tieren, wenigstens für gewisse Zeit , eine Herberge geben könnten. Die AGT mit ihren Pflegestellen im Rheinland und Bergischen ist derzeit voll besetzt. "Wir haben schon Wartelisten für Katzen, die aktuell nicht aufgenommen werden können", sagt Becker. Vor wenigen Wochen haben die Tierschützer aus einem Abbruchhaus in Krefeld 40 Katzen herausgeholt, die zum Teil verwildert waren. Einige sind bei Christa Becker untergenommen, die in ihrem Haus am Hülsberger Busch eine ganze Etage für Katzen eingerichtet hat.

Gründe für die Abgabe von Haustieren sind Umzüge, die Geburt von Kindern, Überforderung, Trennung von Paaren oder auch Krankheiten der Vierbeiner. Zuletzt nahmen Fälle zu, in denen die Tierhalter auch finanziell überlastet waren. "Wir müssen oft viel Arbeit investieren, um die Tiere wieder vermittlungsfähig zu machen", berichtet die Tierschützerin und verweist auf Katzen, die erst unglücklich und dadurch unsauber geworden seien.

Bei Christa Becker schrillen die Alarmglocken, wenn sie jemanden anruft, um einen freien Pflegeplatz zu melden und dann hört, der Notfall habe sich erledigt. "Oft sind diese Tiere, meist Katzen, dann ausgesetzt worden." Die meisten Fundkatzen seien nicht gechippt. Der den Tieren an der linken Halsseite eingesetzte Transponder lässt über einen langen Zahlen-Code eine Rückverfolgung zum Halter zu. Durch das Chippen sei die Zahl der ausgesetzten Hunde in den letzten Jahren deutlich zurückgegangen.

Christa Becker hat die Aktionsgemeinschaft für Tiere vor 13 Jahren, damals noch als Mitglied des Tierschutzvereins Langenfeld/Monheim, gegründet. In all den Jahren hat sie mehr als 3500 Hunde und Katzen sowie etwa 300 Kaninchen vermittelt. Zu jedem Tier führt die Betriebswirtin eine Akte – Ordner füllen ein raumhohes Rundregal und einen großen Aktenschrank. Das PC-Netzwerk in der Tierschutz-Etage ist das Herzstück des Vereins, der zwischen Bonn und Emmerich, Sprockhövel und Kerken rund 200 Mitglieder zählt. "Etwa ein Drittel hat Tiere von uns", sagt die Rentnerin. In langen Gesprächen macht sich Christa Becker vor einer Vermittlung ein gutes Bild der künftigen Tierhalter. Letztlich kommt es darauf an, dass es zwischen Mensch und Vierbeiner "passt". Für die gebürtige Sauerländerin, die 40 Jahre bei Henkel gearbeitet hat, ist "Tierschutz auch Menschenschutz". Und so hat sie einer über 80-Jährigen Haanerin, die sich nach dem Tod ihres Hundes die Gesellschaft eines anderen wünschte, eigens ein älteres, liebevolles Exemplar von Tierschützern aus Ungarn beschafft und so für doppeltes Glück gesorgt. "Tierschutz ist für mich auch Menschenschutz".

Mit dem Tierschutzverein Haan pflegt die AGT eine sehr enge Zusammenarbeit. Täglich mehrfach tausche sie sich mit Helma Missaire-Lache aus. Pflegestellen für Hunde gibt es in Haan nur ganz wenige. Der Versuch von Christa Becker, eine solche Einrichtung zu etablieren, scheiterte vor Jahren immer wieder und konnte erst in einer Kleingartenanlage in Essen verwirklicht werden.

Der Anstoß für Beckers Tierschutz-Engagement war vor 16 Jahren ein Urlaub auf La Palma. "Da habe ich Tierleid gesehen'", erzählt sie. Zu Hause musste sie einfach aktiv werden. Das Hobby aus Überzeugung ist inzwischen zu einem Vollzeitberuf im Ruhestand geworden. An jedem Wochentag ist sie mit Pflegetieren bei Tierärzten. Fast alle Samstage sind gefüllt von Besuchen von Pflegefamilien. "Wir verwalten die Tiere nicht, sondern investieren ganz viel Herzblut." Ziel der AGT ist es, das Tierschutz -Niveau zu heben. Der Verein spielt ein Stück weit eine Vorreiterrolle, indem er sich dafür eingesetzt hat, dass vermittelte Tiere auch wieder zurückgenommen werden müssen. Der Verein setzt auf seiner Internetseite, in Gesprächen und mit Flugblättern für Information und Aufklärung. Der Verein kämpft dafür, dass Freigänger-Katzen nicht nur gechippt und registriert sein müssen, sondern auch kastriert. Denn ohne diesen Schutz können theoretisch aus einem Katzenpaar binnen zehn Jahren eine Million Katzen entstehen, die schon mit sechs Monaten geschlechtsreif sind.

Die Kastration der Fundtiere geht ins Geld: 100 Euro kostet etwa die Operation einer Kätzin, 60 Euro die eines Katers. Jahr für Jahr gibt der Verein allein für Tierarzt- und Laborkosten rund 30 000 Euro aus, die aus Spenden und Mitgliedsbeiträgen aufgebracht werden. Wenn die Politik nicht in überschaubarer Zeit die gesetzlichen Voraussetzungen schaffe, "dann sind wir auch hier auf dem besten Wege zu südländischen Verhältnissen", prognostiziert Christa Becker.

(RP)
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