Corona-Krise Flüchtling näht Mundschutze für Hilden

Vor fünf Jahren flüchtete Amer Mohammad mit seiner Frau und seinen drei Kindern vor dem Bürgerkrieg in Syrien nach Hilden. Jetzt in der Corona-Krise möchte er etwas für die Hilfe, die ihm zuteil wurde, zurückgeben.

 Amer Mohammad näht Schutzmasken für Hildener. Der syrische Flüchtling möchte etwas etwas für die Hilfe, die ihm zuteil wurde, zurückgeben.

Amer Mohammad näht Schutzmasken für Hildener. Der syrische Flüchtling möchte etwas etwas für die Hilfe, die ihm zuteil wurde, zurückgeben.

Foto: "Köhlen, Stephan (teph)"/Köhlen, Stephan (teph)

Amer Mohammad hat sein Handwerk nicht verlernt. Die Nähmaschine surrt. Zack, zack: drei, vier geschickte Handgriffe – und der Mundschutz ist fertig. Der 39-jährige Syrer lächelt: „Ich wollte unbedingt etwas tun, und das kann ich jetzt.“

Die Rotary-Stiftung Hilden-Haan hat ihm eine Nähmaschine und Material zu Verfügung gestellt. Und so sitzt Amer Mohammad jetzt in einem separaten Raum des Sanitätshauses Vital an der Robert-Gies-Straße und näht einen Mundschutz nach dem anderen – nach einem professionellen Schnittmuster. Er macht das aus freien Stücken: „Ich möchte mich damit für die Hilfe bedanken, die meine Familie und ich erhalten haben.“

In Syrien hatte Amer Mohammad eine eigene Schneiderei. Seit acht Jahren tobt dort ein blutiger Bürgerkrieg. Rund die Hälfte der Bevölkerung (18,6 Millionen Menschen, Stand 2017) ist geflohen oder wurde vertrieben. Mehr als 400.000 Menschen sind getötet worden. Das sind nur Schätzungen. Wahrscheinlich ist alles noch viel schlimmer.

Mohammad, seine Frau und seine drei Kinder haben es geschafft, dieser Hölle zu entkommen. Seit 2015 sind sie in Hilden. Endlich in Sicherheit: ein Leben ohne ständige Todesangst. Wir Wohlstands-Deutsche können uns kaum vorstellen, was das heißt. Vier Jahre lang hat die Familie in einer städtischen Flüchtlingsunterkunft gelebt. Das war schwierig, aber kein Vergleich zu dem, was sie vorher mitgemacht haben. Dann fand die fünfköpfige Familie mit Hilfe des städtischen Integrationsbüros eine Wohnung. Was für ein Glück: Eine eigene Wohnung ganz für sie allein. Ein weiterer, großer Schritt hin zu einem normalen Leben.

Die Mohammads tun alles, um sich zu integrieren und anzukommen. Vater Amer hat sich selber Deutsch beigebracht, weil noch kein Platz in einem Integrationskurs frei war. Die beiden großen Kinder (19 und 13 Jahre alt) gehen auf das Gymnasium, das Jüngste (8) besucht die Grundschule. Ihre Mutter will arbeiten gehen. „Die Familie will ihren Lebensunterhalt unbedingt selbst bestreiten und zeigt viel Eigeninitiative“, sagt Rachida El Khabbachi vom Rotary Sozialfonds: „Amer Mohammad ist ein sehr engagierter und positiver Mensch.“ Deshalb ist er dem Integrationsfonds (getragen von der Rotary Stiftung Hilden-Haan und dem Biotechnologie-Unternehmen Qiagen) aufgefallen und wird ebenso wie 34 weitere Geflüchtete unterstützt und gefördert.

Der Integrationsfonds hat ihm ein Praktikum bei einer Hildener Firma besorgt. „Das hat gut geklappt“, freut sich Rachida El Khabbachi: „Die Firma will ihn übernehmen. Jetzt soll er sein Deutsch verbessern.“ Amer Mohammad soll einen geförderten Integrationskurs bei der Volkshochschule Hilden-Haan machen. Problem: Die Kurse sind wegen der Corona-Krise erst einmal bis auf weiteres ausgesetzt, sagt VHS-Leiter Martin Kurth: „Wir versuchen Online-Angebote auf freiwilliger Basis anzubieten. Es ist aber sehr schwer, die an die Frau/den Mann zu bringen.“ Mohammad ist nicht der Mann, der abwartet und die Hände in den Schoß legt. „Wir haben eine Corona-Krise? Was kann ich tun?“

Genau das fragt sich auch Jürgen Schmidt, Vorsitzender der Rotary-Stiftung Hilden-Haan. Da hatten sich die beiden Richtigen gefunden. „Amer Mohammad hat das Know-how, wir kümmern uns um das Material“, sagt Jürgen Schmidt. Er geht davon aus, dass die Kontaktsperre irgendwann gelockert wird und die Menschen dann Mundschutz brauchen, wenn sie sich in der Öffentlichkeit bewegen: „Er schützt mich zwar nicht vor einer Covid-19-Ansteckung, weil es keine medizinische Maske ist, aber er schützt den Menschen neben mir. Wenn alle Mundschutz tragen, schützen wir uns auch alle gegenseitig.“ Aktuell brauche die Hildener Tafel Mundschutze: etwa  80 ehrenamtlichen Helfer, 419 erwachsene Kunden sowie 215 Kinder. Der Mundschutz kann nach dem Tragen übrigens einfach gereinigt werden: entweder waschen, heiß bügeln oder eine Stunde in die pralle Sonne legen. Das UV-Licht zerstört zuverlässig das Virus.

„Wir sehen aber auch einen öffentlichen Bedarf“, sagt Jürgen Schmidt: „Keiner weiß, wie groß der sein wird.“ Die Rotarier Hilden-Haan wollen helfen, haben dafür schon 10.000 Euro bereit gestellt (siehe Info-Box). Helfen will Amer Mohammad auch: Er braucht an der Nähmaschine für einen Mundschutz nur eine Minute.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort