Hilden Familie ohne eigenes Auto

Hilden · Reiner und Isabelle Rickling-Fest und ihre beiden Töchter Caroline (20) und Charlotte (14) brauchen keinen Wagen. Sie nutzen Bus, Bahn, Fahrrad, Taxi oder Flugzeug und versichern: "Wir vermissen nichts."

Deutschland ist ein Autoland. Laut Kraftfahrtbundesamt sind hierzulande rund 58 Millionen Fahrzeuge zugelassen. Rein rechnerisch kommen auf 1000 Einwohner 633 Kfz. Zwei bis drei Autos pro Familie ist für viele ganz normal.

Familie Fest aus Hilden fällt da ein bisschen aus dem Rahmen: Sie hat kein eigenes Auto. Nicht aus Überzeugung, betont Reiner Fest: "Wir haben keines gebraucht, weil die Infrastruktur stimmt. Es hat sich halt so ergeben."

Ohne eigenes Auto zu leben, spare zudem viel Geld. Für rund 500 Euro Autofixkosten pro Monat (das Benzin ist dabei noch nicht einmal eingerechnet) könne man viel Bus, Bahn oder Taxi fahren, weiß der Familienvater. Und die Nerven schone das autofreie Leben auch. Mit den allmorgendlichen Staus der Pendler im Berufsverkehr beispielsweise Richtung Düsseldorf habe er nichts zu tun, freut sich Reiner Fest. Ihre Wohnungen seien immer sehr gut an den Öffentlichen Personennahverkehr angebunden gewesen, erzählt der 51-Jährige. Er und seine Frau haben beide einen Führerschein — nur eben kein eigenes Auto.

Reiner Fest arbeitet für eine Firma, die Eisenbahnwaggons vermietet. Er hat ein Ticket 2000 (Abo: rund 60 Euro im Monat) und fährt mit der S-Bahn ins Büro: "Viele unserer Kunden sitzen in der Nähe von Bahnhöfen." Isabelle Rickling-Fest ist freiberufliche Übersetzerin: "Ich arbeite überwiegend zu Hause. Zu Kunden fahre ich mit dem Taxi oder werde abgeholt."

Caroline Fest ist Studentin und kann mit ihrem Semesterticket alle Busse und Bahnen (mit Ausnahme von IC und ICE) in ganz Nordrhein-Westfalen nutzen. Die junge Frau hat eine pragmatische Einstellung: "Solange kein Auto da ist und ich auch keines brauche, mache ich auch keinen Führerschein." Ihre Schwester Charlotte besucht das Helmholtz-Gymnasium. Sie hat ein Schoko-Ticket und nimmt am liebsten den Bus.

Vom Eigenheim der Familie aus sind es nur etwa zehn Gehminuten bis zum Hildener Bahnhof oder bis in die Innenstadt. Der Ortsbus hält gleich um die Ecke. Isabelle Rickling-Fest kauft am liebsten mit dem Fahrrad ein. Müssen schwere Getränkekisten besorgt werden, nehmen sie nette Nachbarn im Auto mit. Dafür revanchiert sich Frühaufsteher Reiner (sein Tag beginnt um 5.30 Uhr), indem er ihnen frische Brötchen mitbringt.

Wenn Caroline abends ausgeht, setzen Freunde sie zur Heimfahrt in Bus oder Bahn — und ihre Eltern holen sie am Bahnhof ab: "Egal, wie spät es ist."

In den Urlaub fährt die Hildener Familie mit der Bahn — oder fliegt wie Millionen anderer deutscher Pauschaltouristen auch — für den Transfer sorgt der Veranstalter.

Für den Familienbesuch im Nachbarland Frankreich biete sich der komfortable Schnellzug Thalys an: Köln — Paris in weniger als vier Stunden. Ihre Mutter allerdings lebe in Frankreich auf dem Land, erzählt Isabelle Rickling-Fest: "Da braucht man ein Auto. Alles andere ist zu mühsam."

(RP/rl)
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