Vielfalt in Hilden Familie El Halimi ist in Hilden angekommen

Hilden · In Hilden leben Menschen aus mehr als 100 Ländern. Dazu gehört auch Familie El Halimi. Über Vielfalt und warum sie für uns alle wichtig ist.

 Hamza El Halimi mit seinem Vater Jamal und seinen Schwestern Isra (16) und Soukaina (23).

Hamza El Halimi mit seinem Vater Jamal und seinen Schwestern Isra (16) und Soukaina (23).

Foto: Köhlen, Stephan (teph)

„Ich bin ein Teil von Deutschland, auch wenn man das nicht auf den ersten Blick sieht.“ So wie Hamza El Halimi geht es Millionen Menschen bei uns. Laut Statistischem Bundesamt leben in Deutschland rund 21,9 Millionen Menschen mit „Migrationshintergrund“: Knapp 11,5 Millionen von ihnen haben einen deutschen Pass. Rund 10,3 Millionen sind Ausländerinnen und Ausländer. Rund 13,6 Millionen sind im Ausland geboren und eingewandert.

Diese Vielfalt kann man auch in Hilden in der Fußgängerzone beobachten. In der rheinischen Mittelstadt (rund 56.000 Einwohner) leben inzwischen Menschen aus 100 Ländern. Vor hundert Jahren hätte man das bestenfalls in der Hauptstadt Berlin oder in Hafenstädten wie Hamburg beobachten können.

Hamza El Halimis Großvater Mohamed (85) kam in den 1960er Jahren als Gastarbeiter nach Hilden. Später holte er seine Familie nach. Der Enkel Hamza (29) ist in Hilden Vorsitzender des Integrationsrats und Ratsmitglied der SPD-Fraktion. Sein Vater Jamal (54) ist in Marokko geboren und als Kind in Deutschland aufgewachsen, seine Mutter Adima (50) in den Niederlanden. Hamza und seine Geschwister sind in Hilden geboren und aufgewachsen. „Hilden ist meine Heimat – genauso wie Marokko, weil dort meine Wurzeln sind. Die möchte ich nie abreißen lassen.“

Hamza El Halimi hat als erster in seiner Familie Abitur gemacht – am Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasium. Er musste sich durchbeißen. Kinder von Akademikern studieren dreimal häufiger als Kinder, deren Eltern nicht an der Uni waren. „Meine Eltern haben immer hinter mir gestanden und mich unterstützt, wo sie nur konnten.“ Er hat studiert – Politikwissenschaften in Duisburg-Essen (Bachelor) und Köln (Master) – und arbeitet heute bei der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten. Der sympathische junge Mann trainiert Kinder im Cobra Gym, die Kampfsportabteilung des SV Hilden-Nord. Und er spricht vier Sprachen: Marokkanisch, Englisch, Französisch und Niederländisch.

„Wenn ich in Marokko bin, spreche ich Marokkanisch – allerdings merkt man, dass ich aus dem Ausland bin. Die Sprache und die Kultur zu kennen, ist aber sehr wichtig, um sich zu Hause zu fühlen. Meine Eltern haben mich als Kind in die arabische Schule geschickt, damit ich auch die Berbersprache und Arabisch lerne. Heute weiß ich, wie wichtig das war.“

Seine beiden Schwestern Isra (16) und Soukaina (23) sind/waren nicht nur gute Schülerinnen, sondern auch sozial engagiert. Deshalb hat die Start-Stiftung beide mit einem Stipendium gefördert. Während Isra bald ihr Abitur macht, ist Soukaina nach ihrem Abitur in das Lehramtsstudium eingestiegen und steht kurz vor ihrem Masterabschluss. Bildung war für die El Halimis einer der Schlüssel zu einer gelungenen Integration. „Deutschland hat ein einzigartiges Bildungssystem, das jedem Einzelnen Chancen gibt, wenn man sich anstrengt“, meint Hamza El Halimi.

Er kennt inzwischen eine ganze Reihe von jungen Leuten, die eine ähnliche Geschichte haben wie er. „Zuwanderer“: Der Begriff passt nicht so recht. „Wir haben eine eigene, neue Identität“, findet Hamza El Halimi: „Wir können alle voneinander lernen und profitieren. Integration ist und bleibt ein zweischneidiges Schwert. Auch die Gesellschaft muss die neuen Herausforderungen angehen.“

Jeder vierte Mitbürger in Deutschland hat eine Zuwanderergeschichte. Das müsse beispielsweise auch bei der Besetzung von Stellen in den öffentlichen Verwaltungen, bei der Besetzung von Richterposten und bei der Polizei berücksichtigt werden, findet der Vorsitzende des Integrationsrats. Denn diese wichtigen Institutionen sollten einen repräsentativen Querschnitt der Bevölkerung widerspiegeln.

ARD und ZDF haben kürzlich eine ganze Reihe von Moderatorinnen und Moderatoren berufen, die wie Hamza El Halimi Deutsche sind, „aber nicht so aussehen“. Das zeigt, dass offenbar unser Bild von Deutschland so nicht mehr stimmt. Unser Land ist vielfältiger, ethnisch bunter geworden. Kinder wollen sich und ihre Freundinnen sowie Freunde so malen, wie sie wirklich aussehen: Deshalb hat ein Berliner Buntstifte in allen möglichen Hautfarben entwickelt. Er möchte Kinder und Eltern für das Thema Hautfarbe sensibilisieren.

„Hilden ist ein sehr schöner Ort“, sagt Hamza El Halimi: „Hier kriegen mich keine zehn Pferde mehr weg. Hier gibt es ein starkes Gemeinschaftsgefühl. Alle sind miteinander vernetzt. Man kennt sich, man hilft sich. Klar gibt es bei vielen Problemen noch Luft nach oben. Das ist aber auch ein Ansporn, um die Welt ein Stückchen besser zu machen.“

„Vielfalt ist kein Wert an sich, sie kann jedoch eine Ressource für positive Veränderungen sein“, steht im Integrationskonzept 2021, das die Stadtverordneten in Hilden einstimmig beschlossen haben. Migration sei seit jeher kulturfördernd beziehungsweise kulturstiftend gewesen. Dinge und Erfahrungen, die sich woanders bewährt haben, können auch in dieser Gesellschaft sinnvoll sein. Vor dem Hintergrund der Überalterung der Gesellschaft sei es heute unverzichtbar, die Potentiale von Zugewanderten zu erkennen und bestmöglich zu fördern, damit sie sich in dieser Gesellschaft auch entfalten können und ihr zugutekommen. Das Gelingen von Integration sei daher auch ein unverzichtbarer Wirtschaftsfaktor.

Unser aller Wohlstand ist extrem von qualifizierten Zuwanderern abhängig, zeigt eine aktuelle Studie des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW). Ohne sie kann die Wirtschaft heute schon viele Lehrstellen und Arbeitsplätze nicht mehr besetzen.

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