Rp-Serie Kuriose Orte (5) Expedition in den alten Kalkwerks-Tunnel

Hilden · Vor 50 Jahren endete in Gruiten der Kalkabbau. Die Unterführung unter der Mettmanner Straße wird jährlich inspiziert.

 Erik Waldmann und Thorsten Fischer kontrollieren Wände und Decken des Tunnels. Zwischen Stahlprofilen sind im Verlauf der rund 240 Meter Unterführungslänge weit über 30.000 Betonplatten verbaut. Der Haaner Betriebshof besichtigt den_Tunnel jährlich, alle drei Jahre werden Gutachter hinzugezogen.

Erik Waldmann und Thorsten Fischer kontrollieren Wände und Decken des Tunnels. Zwischen Stahlprofilen sind im Verlauf der rund 240 Meter Unterführungslänge weit über 30.000 Betonplatten verbaut. Der Haaner Betriebshof besichtigt den_Tunnel jährlich, alle drei Jahre werden Gutachter hinzugezogen.

Foto: Anne Orthen

Haan-Gruiten Gummistiefel, Regenjacke, Helm und Taschenlampe. Das muss der Reporter mitbringen, wenn er den Straßenmeister der Stadt Haan, Erik Waldmann, den kommissarischen Betriebshofleiter Carsten Lehmann und Thorsten Fischer vom Tiefbauamt bei ihrer kleinen Expedition begleiten will. Es geht ein Stück weit in die Vergangenheit und hinein in den Untergrund. Einmal im Jahr kontrollieren die Techniker den Zustand des rund 240 Meter langen Tunnels in Gruiten, von dessen Existenz vermutlich viele im Stadtteil gar nichts wissen. Es handelt sich um ein unterirdisches Stück der alten Werkstraße, über die früher große Lastwagen Kalkstein aus der Grube 7 hinauf zum Kalkwerk transportierten. Die Straßenverbindung löste die Seilbahn ab, die bis dahin die tonnenschwere Last weit über der Sinterstraße hinauf zur Fuhr schweben ließ. Nur fünf Jahre war die Unterführung für den Kalkabbau in Betrieb, der 1966 - völlig unverhofft für die Belegschaft - eingestellt wurde.

 1961, beim Bau der Unterführung, brach die Mettmanner Straße ein. Der Tunnel verläuft zwischen 6 und 15 Meter unterhalb des Gelände-Niveaus.

1961, beim Bau der Unterführung, brach die Mettmanner Straße ein. Der Tunnel verläuft zwischen 6 und 15 Meter unterhalb des Gelände-Niveaus.

Foto: Kreisarchiv/Sepp Unger

Auch wenn beide Seiten des Tunnels seit Jahrzehnten zugemauert und durch Geröll und Mutterboden verdeckt sind, handelt es sich um ein Straßenbauwerk. Die Stadt ist verpflichtet, diesen Tunnel, genau wie Brücken und andere Ingenieurbauwerke, regelmäßig zu überprüfen. Jährlich gibt es eine Sichtkontrolle, alle drei Jahre muss ein Sachverständiger die Konstruktion begutachten, alle sechs Jahre steht eine Hauptprüfung an.

 Der Zugang zum Tunnel der alten Kalkwerksstraße liegt heute versteckt in Gruiten Dorf. Die Zugangstür ist normalerweise mit Boden und Geröll blockiert.

Der Zugang zum Tunnel der alten Kalkwerksstraße liegt heute versteckt in Gruiten Dorf. Die Zugangstür ist normalerweise mit Boden und Geröll blockiert.

Foto: Anne Orthen

Per Radlader hat ein Betriebshof-Mitarbeiter den Zugang freigelegt. Die Mauer im Halbrund des aus Stahlträgern bestehenden Tunnelprofils hat eine Tür und oben ein paar Luftlöcher. Innen ist es stockfinster. Die alte Straße ist überall nass. Die Stahlprofile stehen im Abstand von im Schnitt 70 Zentimetern. Die Zwischenräume sind mit etwa fünf Zentimeter dicken Betonplatten von gut zehn Zentimeter Breite ausgefüllt. Jeder Bogen hat um die 95 Platten. Hochgerechnet auf die rund 240 Länge sind weit mehr als 30.000 dieser Platten verbaut worden. Der Tunnel verläuft zwischen sechs und 15 Meter unter dem oberen Bodenniveau.

Das änderte sich beim Bau allerdings zeitweise - und nicht beabsichtigt. Es gibt im Kreisarchiv und auf der Internetseite "Historisches Dorf Gruiten" Bilder, die eine eingebrochene Mettmanner Straße zeigen. Außerdem stürzte die Böschung ein. Heute hängen hie und da Betonplatten aus der Decke. Auf der Straßenfläche ist - gleich nach dem Entdecken der kleinen Schäden - Plastikfolie ausgebreitet worden. Sie ist bis auf Schmutz durch Tropfwasser sauber: "Da ist seit zehn Jahren schon nichts mehr heruntergekommen", erkennt Erik Waldmann mit einem Blick. Und wenn doch die Decke einbrechen würde? "Dann müssen wir uns etwas einfallen lassen." Waldmann und seine Kollegen lassen die Lichtkegel ihrer Taschenlampen über Decke und Wände gleiten. Keine Veränderungen seit der letzten Kontrolle. Alles ist in Ordnung.

Unterwegs - etwa genau unter der Mettmanner Straße - steht an der Wand etwas mit Sprühfarbe geschrieben: "2, 3, 93 - Olli, Go, Happis und Götz" lässt sich entziffern. Es dürfte der Eintrag von einer unbefugten Höhlenerkundung sein. Ebenso ein zweiter Schriftzug "Tobi, Basti, Sven - 17.3.08"; die auf den Triumph geleerte Sektflasche und die für das Graffito verwendete Sprühfarbe liegen noch im Geröll.

Tiere gibt es hier im Untergrund nicht. "Wir haben schon mal einen Frosch hüpfen gesehen", sagt Erik Waldmann. Fledermäuse, die sich an den noch vorhandenen, aber völlig verrosteten Beleuchtungs-Einrichtungen festkrallen könnten, sind noch nicht gesichtet worden. Nach rund zwei Stunden und einer Dokumentation des Zustandes wird der Radlader wieder gestartet und schiebt Tonnen von Erde und Steinen vor den Eingang - bis zur nächsten Kontrolle in 2017.

(RP)
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