Hilden Erinnern an die Opfer von Verfolgung

Hilden · 75 Jahre zählt durchschnittlich ein Menschenleben. Die Menschen jüdischen Glaubens aber, die vor 75 Jahren den 9. November 1938 erleben mussten – ein Tag an dem ihre Synagogen, ihre Geschäfte, Häuser, Wohnungen angezündet wurden – haben dieses Lebensalter zu Zeiten des nationalsozialistischen Regimes nicht erreicht. Auch nicht in Hilden. Fünf kamen nachweislich in dieser Nacht ums Leben. Andere starben später an den Folgen dieser Nacht. Ein Grund für die Stadt, gemeinsam mit der Evangelischen Kirchengemeinde und ihrem Erwachsenenbildungswerk, der Katholischen Kirchengemeinde und der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft den gestrigen Sonntag besonders zu begehen. Wörtlich gemeint, denn Mitglieder des Arbeitskreises "Stolpersteine" und des Jugendparlamentes starteten zu einem Sterngang, der von den äußersten "Stolpersteinen" im Stadtgebiet zum großen Gedenkstein im Stadtpark führen sollte. Aus insgesamt sieben Routen konnten die Teilnehmer wählen.

 Beim Sternmarsch entlang der "Stolpersteine" legt Adrian Lindenberg (13) vor dem Haus Hochdahlerstr 132 für Karl Harhoff eine Rose nieder.

Beim Sternmarsch entlang der "Stolpersteine" legt Adrian Lindenberg (13) vor dem Haus Hochdahlerstr 132 für Karl Harhoff eine Rose nieder.

Foto: Olaf Staschik

75 Jahre zählt durchschnittlich ein Menschenleben. Die Menschen jüdischen Glaubens aber, die vor 75 Jahren den 9. November 1938 erleben mussten — ein Tag an dem ihre Synagogen, ihre Geschäfte, Häuser, Wohnungen angezündet wurden — haben dieses Lebensalter zu Zeiten des nationalsozialistischen Regimes nicht erreicht.

Auch nicht in Hilden. Fünf kamen nachweislich in dieser Nacht ums Leben. Andere starben später an den Folgen dieser Nacht. Ein Grund für die Stadt, gemeinsam mit der Evangelischen Kirchengemeinde und ihrem Erwachsenenbildungswerk, der Katholischen Kirchengemeinde und der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft den gestrigen Sonntag besonders zu begehen. Wörtlich gemeint, denn Mitglieder des Arbeitskreises "Stolpersteine" und des Jugendparlamentes starteten zu einem Sterngang, der von den äußersten "Stolpersteinen" im Stadtgebiet zum großen Gedenkstein im Stadtpark führen sollte. Aus insgesamt sieben Routen konnten die Teilnehmer wählen.

Die RP begleitete einen der Sternwege ab Hochdahler Straße Nummer 132, dem letzten Wohnsitz von Karl Harhoff. Er war zwar nicht jüdischen Glaubens, wurde aber (erst 28 Jahre alt) am 12. August 1944 wegen "Fahnenflucht" in Berlin Spandau erschossen. "Wir beziehen Gegner des NS-Regimes, die auch Opfer wurden, in unser Gedenken mit ein", erklärte Anita Ellsiepen und führte die 15 Teilnehmer zum nächsten Ziel an der Mettmanner Straße 76, wo zwei rechteckige Messingplatten auf dem Bürgersteig an Henry und Rolf Bernstein erinnern.

Henry Bernstein war Möbel- und Textilkaufmann. Als 1929 Sohn Rolf in Hilden geboren wurde, lebten Henry und seine Frau Martha schon an der Mettmanner Straße. In der Pogromnacht drangen Schlägertrupps gewaltsam bei Bernsteins ein. Die Familie konnte in die Niederlande fliehen und dort zunächst von Freunden versteckt werden. Henry und Rolf Bernstein wurden entdeckt, nach Auschwitz deportiert und umgebracht. Petra Völlings ist Geschichtslehrerin und hat zusammen mit ihrem Mann Klaus schon vor Jahren die Patenschaft für einen der Steine übernommen: "Es ist uns wichtig, dass diese Erinnerung nicht verblasst."

Wenige Schritte weiter wird auch an Julius Kaupe, einen überzeugten Aktivisten des Antifaschistischen Kampfbundes gedacht, der 1936 im Spanischen Bürgerkrieg fiel. Eine weiße Rose, ein Kerzenlicht, ein Gedicht und eine Schweigeminute bekommt auch er.

An der Berliner Straße/Ecke Marie-Colinet-Straße gilt es, an die Familie Herz zu erinnern, die hier, an der ehemaligen Apfelstraße, ihren letzten Wohnsitz hatte. Während der Angriffe in der Pogromnacht stürzte Bertha Herz aus dem Fenster und starb an den Folgen. Ihr Mann Sigmund, selbstständiger Metzgermeister, und die Tochter Erna lebten nach diesem Ereignis verarmt in Hilden. Erna wurde 1941 deportiert. Ihr Vater starb 1943 in Theresienstadt. Vater und Tochter waren die letzten in Hilden registrierten Juden. Am 8. Januar 1942 gab der damalige Bürgermeister bekannt: "Die Stadt ist seit dem 31. Dezember 1941 judenfrei."

Wie anders klingen die Worte des heutigen Bürgermeisters Horst Thiele, der den Sterngang mit einer Kranzniederlegung am Gedenkstein im Stadtpark beendete. Vor mehr als 50 Menschen sprach er von "schrecklichen Ereignissen", die leider auch "besonders in Hilden" passiert seien. Gleichzeitig appellierte er, "sich jeglicher Menschenfeindlichkeit in dieser Stadt mutig entgegen zu stellen, gleichgültig welcher Herkunft, Hautfarbe oder Religion ihre Bürger seien".

(chm)
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