Zum 100. Geburtstag „Us Ellen“war Hildens Mutter Courage
Ellen Wiederhold ist Hildens erste Bürgermeisterin. Vor 100 Jahren, am 21. November 1921, wird sie geboren. Viele Hildener erinnern sich noch persönlich an sie. Hier sind sieben Fakten, die Sie vielleicht noch nicht kennen.

„Us Ellen“ wäre 100 Jahre alt geworden
1) Ellen Wiederhold besucht die Volksschule und die „Helmholtz-Schule, städtische Oberschule für Jungen“. Unter den Abiturienten des Jahres 1940 ist als einzige junge Frau die 18-jährige Ellen Wiederhold. Sie machte Abitur, obwohl sie Legasthenikerin ist und nach eigenem Bekunden „Diktate hasste“. Sie studiert ab 1940 an den Universitäten Heidelberg und Bonn Chemie und Naturwissenschaften und wird 1949 mit dem Thema „Ester sechswertiger Zuckeralkohole“ zum Dr. rer. nat. promoviert.
2) Im Alter von 75 Jahren verunglückt Walter Wiederhold 1959 auf einer Geschäftsreise. Nach dem plötzlichen Tod ihres Vaters übernimmt Ellen Wiederhold mit 37 Jahren die Geschäftsführung. Die Hermann Wiederhold Lackfabriken beschäftigen damals rund 2500 Mitarbeitern und zählen mit einem Umsatz von 155 Millionen Mark (1966) zu den Branchenführern. Ellen Wiederhold führt das Unternehmen äußerst erfolgreich. In den Firmenlabors werden zwischen 1958 und 1969 die ersten Tagesleuchtfarben entwickelt. Das Rot erhöht die Früherkennbarkeit von Feuerwehrfahrzeugen und senkt deren Unfallzahlen bei Alarmfahrten deutlich.
3) Als Spitzenkandidatin der CDU wird Ellen Wiederhold 1969 zur ersten Bürgermeisterin in der Geschichte Hildens gewählt. Die „erste Frau der Stadt“ will aber „Bürgermeister“ genannt werden. Sie ist als Frau in einer Männerwelt groß geworden. Das hat sie geprägt. Sie ist selbstbewusst und weiß, was sie will. „Meine Art könnt ihr nicht ändern. Das wäre auch schade drum“, soll sie gesagt haben. Ein Vierteljahrhundert füllt sie dieses Amt aus und prägt das öffentliche Leben. Als dienstälteste Bürgermeisterin des Landes wird Ellen Wiederhold im November 1994 zur Hildener Ehrenbürgerin ernannt.
4) Das Leben von Ellen Wiederhold ist voller Schicksalsschläge. Ihr Bruder Walter (1915–1941) fällt im Zweiten Weltkrieg. Ihr Vater verunglückt 1959 tödlich. Mit knapp 50 Jahren steht sie plötzlich fast allein da. Eltern und drei Geschwister sind gestorben. Ellen Wiederhold resigniert nicht, sie gibt nicht auf, ist nicht verbittert. Nach dem Tod von Schwester und Schwager adoptiert sie ihre vier unmündigen Nichten. Sie habe stets ein offenes Ohr für die Sorgen anderer gehabt, erzählen Menschen, die sie gut gekannt haben. Man habe sie selbst nie klagen gehört. Auch nicht, als sie in ihren letzten Lebensjahren dreimal in der Woche zur Dialyse muss. Hildens Mutter Courage hat Uli Schmidt, eine geschätzte RP-Kollegin, Ellen Wiederhold einmal treffend genannt. Wie viel Kraft und Seelen-Stärke sie gehabt haben muss. „Ich wäre sonst vielleicht Alkoholikerin geworden“, soll sie einmal mit dem ihr eigenen Humor und mit Anspielung auf ihre „Trinkfestigkeit“ gesagt haben. Zu ihrer Zeit endeten Ratssitzungen noch häufig im Ratskeller, sprich in der Kneipe.
5) Nur ein einziges Mal, so erinnerte sich Stadtdirektor Karl-Detlev 2001 bei einer Gedenkfeier, habe er erlebt, dass Ellen Wiederhold heftig um ihre Fassung gerungen hat. „Als ich ihr 1994 das Ergebnis der Kommunalwahl überbrachte und ihr sagte, dass sie keine Bürgermeisterin mehr sein würde.“ Da sei sie in sich zusammengesunken, habe lange auf ihre Schreibtisch-Unterlage gestarrt, dann ihre berühmte Handtasche genommen und mit den Worten „Kommen Sie, das Leben geht weiter“ das Büro verlassen.
6) Die Leitung ihres Unternehmens und das Bürgermeisteramt (ein Ehrenamt) hindern sie nicht, auch noch soziale Aufgaben zu übernehmen. Sie engagiert sich (wie schon ihr Vater) im Bereich der evangelischen Kirche und sozialer Einrichtungen. Die Bürger können sich direkt an sie wenden. Vieler Probleme nimmt sie sich persönlich an. Häufig hilft sie auch mit privatem Geld. Dafür schließen sie die Hildener ins Herz. „Us Ellen“ nennt man sie. 1984 erhält sie für ihren „täglichen aufopferungsvollen Dienst an ihren Mitmenschen“ das Bundesverdienstkreuz.
7) Mitte der 1970er Jahre muss Ellen Wiederhold das Familienunternehmen in Folge der Ölkrise verkaufen. Sie macht einen klugen Deal und findet in ICI einen Käufer, der das Lebenswerk der Familie und viele Mitarbeiter übernimmt und den Standort in Hilden erhält. Ellen Wiederhold stirbt am 4. September 1995. Gefühlt ganz Hilden gibt ihr das letzte Geleit. Auf dem Hauptfriedhof im Familiengrab findet sie ihre letzte Ruhe.