Rita Rüttger, Leiterin Skfm "Die Zahl der Misshandlungen steigt"

Hilden · Viele Flüchtlingsfrauen suchen Schutz im Mettmanner Frauenhaus des Sozialdienstes Katholischer Frauen und Männer.

 Rita Rüttger leitet das Frauenhaus in Mettmann.

Rita Rüttger leitet das Frauenhaus in Mettmann.

Foto: Janicki

Kreis Mettmann Am kommenden Freitag erinnert der Internationale Gedenktag gegen Gewalt an Frauen und Mädchen daran, dass tagtäglich Frauen und Kinder von Männern oder Vätern misshandelt werden.

Laut Statistiken werden in Europa täglich 12 bis 15 Prozent aller Frauen Opfer häuslicher Gewalt. Die Tendenz ist steigend. Gilt das auch für den Kreis Mettmann?

 700 Meldungen von häuslicher Gewalt zählten die Verantwortlichen im vergangenen Jahr im Kreis Mettmann.

700 Meldungen von häuslicher Gewalt zählten die Verantwortlichen im vergangenen Jahr im Kreis Mettmann.

Foto: dpa

Rüttger Uns bekannte Studien besagen, dass jede vierte Frau in ihrem Leben Gewalt durch den Partner erlebt. Im Kreis Mettmann gingen bei der SKFM-Interventionsstelle gegen häusliche Gewalt und im SKFM-Frauen- und Kinderschutzhaus im Vorjahr über 700 Meldungen von häuslicher Gewalt ein. Auch wenn sich sicher nicht alle Frauen melden, ist die Zahl der gemeldeten Fälle seit 2014 erheblich gestiegen.

Wie geht das Frauenhaus im Kreis Mettmann mit der Situation um, dass immer mehr Flüchtlingsfrauen Hilfe suchen?

Rüttger Frauen aus anderen Herkunftsländern sind besonders auf die Hilfe des Frauenhauses angewiesen. Sie haben oft in der bedrohlichen häuslichen Situation keine Familie oder Freunde, die ihnen zur Seite stehen. Ganz besonders betrifft dies die Flüchtlingsfrauen, die seit über einem Jahr verstärkt zu uns kommen. Viele von ihnen haben in der Heimat und auf der Flucht bereits Gewalt erleben müssen. Kommt es hier zu Gewalt durch den Partner, haben sie den gleichen Anspruch auf Schutz und Hilfe wie jede Frau in Deutschland - beispielsweise durch das SKFM-Frauenhaus. Für Flüchtlingsfrauen sind nachhaltige Lösungen aufgrund der Aufenthaltsbestimmungen leider sehr schwierig.

Wie viele Frauen fragen jährlich oder monatlich beim Frauenhaus an und suchen Schutz vor Männern? Wie viele davon sind Flüchtlingsfrauen?

Rüttger Vier der 32 Frauen, die 2015 aufgenommen wurden, waren Flüchtlinge. Vielen Frauen haben wir geholfen, Schutz in einem anderen Frauenhaus zu finden, weil unser Haus zu der Zeit voll belegt war.

Wie gehen Sie mit Frauen und Kindern aus anderen Kulturkreisen und mit anderer Sprache um?

Rüttger Vom Tag der Eröffnung im Jahr 1993 an, leben immer Frauen aus mehreren Nationen in der Hausgemeinschaft. Die Mitarbeiterinnen sind interkulturell geschult und erfahren. Außer den aktuellen und ehemaligen Bewohnerinnen stehen Sprachlotsen und bei entscheidenden Terminen auch Dolmetscher zu Verfügung - zum Beispiel bei Gericht. Die Hausgemeinschaft des Frauenhauses ist aber auch oft vor Herausforderungen gestellt. Andererseits verbindet die Gemeinsamkeit der Gewalterfahrung. Trotz unterschiedlicher Vorstellungen im Lebensstil werden gemeinsam Lösungen gesucht. In diesem Prozess finden oft wichtige Schritte zur Integration und interkulturellen Verständigung statt. Kinder haben zum Glück weder Berührungsängste noch Sprachprobleme.

Wie viele Hauptberufler und Ehrenamtler stehen Ihnen zur Seite?

Rüttger Die Förderbedingungen für Frauenhäuser in NRW sehen vier hauptamtliche Mitarbeiterinnen vor. Zudem stehen uns fünf Ehrenamtliche für die 24-stündige Rufbereitschaft zur Seite, insbesondere in der Nacht.

Reichen die Unterkünfte aus?

Rüttger Derzeit sind die Frauenhäuser in unserem Ballungsraum sehr stark frequentiert. In ländlicheren Regionen gibt es eher freie Plätze. Der Mangel an bezahlbarem Wohnraum wirkt sich auf die Verweildauer aus. Ein Ausbau des sozialen Wohnungsbaus ist dringend notwendig.

Gerade im Fall von häuslicher Gewalt wird eine Kultur "des Wegsehens" beklagt. Ist das noch so?

Rüttger Aus unserer Sicht zeigt gerade der Anstieg der Fallzahlen, dass häusliche Gewalt nicht mehr als Privatsache behandelt wird. Mehr Frauen trauen sich, Hilfe in Anspruch zu nehmen. Trotzdem bleiben viele Taten aus Mangel an Beweisen im privaten Umfeld ungesühnt. Wir wünschen uns dafür noch mehr gerichtliche Konsequenzen.

ISABEL KLAAS STELLTE DIE FRAGEN

(RP)
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