Hilden Der Chef-Logistiker der Notunterkunft

Hilden · Ulrich Hagemann ist freigestellter Beamter. Er bekommt 16,5 Wochenstunden bezahlt: "Der Rest ist Ehrenamt."

Ulrich Hagemann (links) mit Youssef Haifa und Youssef M. Ali im Büro der Johanniter in der Albert Schweitzer Schule. Hagemann ist der "perfekte Organisator und Kümmerer", sagen seine Kollegen.

Ulrich Hagemann (links) mit Youssef Haifa und Youssef M. Ali im Büro der Johanniter in der Albert Schweitzer Schule. Hagemann ist der "perfekte Organisator und Kümmerer", sagen seine Kollegen.

Foto: Olaf Staschik

Ulrich Hagemann ist Vater von Tabea (2) und Norina (8). Deshalb nahm der Beamte im Sozialamt Elternteilzeit und arbeitete nur drei halbe Tage. Bis zum 4. August: Da musste die Stadt Hilden binnen 24 Stunden die Albert-Schweitzer-Schule als Notunterkunft für 150 Flüchtlinge herrichten. Seitdem hat der Ortsbeauftragte der Johanniter einen Zehn-Stunden-Tag. Die Stadt hat den 50-Jährigen als Betreuer der Erstaufnahmeeinrichtung freigestellt. "Ich bekomme 16,5 Wochenstunden bezahlt", erzählt Hagemann. "Der Rest ist Ehrenamt."

Ohne Menschen wie Ulrich Hagemann hätte es unser Land nicht geschafft, in einem Jahr gut eine Million Flüchtlinge aufzunehmen. Seit mehr als 30 Jahren ist der Hildener bei der Johanniter Unfallhilfe, seit zwölf Jahren koordiniert er als Ortsbeauftragter den Einsatz der rund 40 Helfer und 70 Jung-Johanniter. Geschätzt rund 55.000 Stunden hat er für sein Ehrenamt schon aufgewendet. 2001 zeichnete ihn der Bundespräsident dafür mit dem Verdienstorden aus. Hagemann war schon beim Elbehochwasser, bei der Fußball-WM 2006 und beim Weltjugendtag in Köln im Einsatz.

Diese Erfahrung kommt ihm jetzt zugute. Seit gut 120 Tagen betreuen Hagemann und seine 40 Helfer (20 in Voll- und Teilzeit, 20 im Ehrenamt) bis zu 350 Flüchtlinge (aktuell 120). Die Notaufnahme ist eine Einrichtung des Landes. Jeden Tag gibt es neue Änderungen. "Es wäre gut, wenn man das mit den Praktikern vor Ort vielleicht mal vorher besprechen würde": Mehr möchte der Ortsbeauftragte dazu nicht sagen. Die Stadt hat ihren Mitarbeiter freigestellt - auf unbestimmte Zeit. "Herr Hagemann ist ein perfekter Organisator und Kümmerer", lobt Sozialdezernent Reinhard Gatzke. "Er ist bestens vernetzt. Wir sind mit der Betreuung durch die Johanniter hochzufrieden." "Ulrich Hagemann und den Johannitern ist maßgeblich zu verdanken, dass wir die Schule in 24 Stunden herrichten konnten", sagt die städtische Flüchtlingsbeauftragte Michaela Neisse. "Er ist ein unglaublich guter Logistiker und Organisator. Geht nicht - das gibt's bei ihm nicht." Anfangs Feld-, dann Hochbetten, Bettzeug, Hygiene-Artikel: Der 50-Jährige weiß, wo er so etwas innerhalb kürzester Zeit beschaffen kann, wenn es sein muss, auch lastwagenweise: "Es muss da sein, wenn man es braucht. Das ist das Schwierigste." Dafür hängt Hagemann jeden Tag stundenlang am Telefon. Hagemann kennt viele Kollegen im Rathaus. Wenn es Probleme gibt, greift er zum Telefon: "Vieles lässt sich auf dem kleinen Dienstweg lösen."

Seine Frau Nicole ist Pfarrerin in Vollzeit bei der evangelischen Gemeinde Hilden. Ihr Mann hat einen Zehn-Stunden-Tag. Wie verkraftet das die Familie? "Schwager und Schwägerin wohnen nebenan", erzählt Hagemann: "Sie und unsere Familien in Hilden unterstützen uns. Ich habe unsere Kinder aber auch schon mit in die Notunterkunft genommen."


Liebe Leserinnen und Leser,

Ihre Meinung zu RP Online ist uns wichtig. Anders als sonst bei uns üblich gibt es allerdings an dieser Stelle keine Möglichkeit, Kommentare zu hinterlassen. Zu unserer Berichterstattung über die Flüchtlingskrise haben wir zuletzt derart viele beleidigende und zum Teil aggressive Einsendungen bekommen, dass eine konstruktive Diskussion kaum noch möglich ist. Wir haben die Kommentar-Funktion bei diesen Themen daher vorübergehend abgeschaltet. Selbstverständlich können Sie uns trotzdem Ihre Meinung sagen — per Facebook oder per E-Mail.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort