Hilden Den Umgang mit Demenzkranken lernen

Hilden · Eine ältere Frau kommt in eine Bäckerei und kauft ein Brötchen. Im Laufe des Tages betritt sie den Laden noch fast ein Dutzend Mal, und bezahlen will sie mit Streichhölzern. Was zunächst absurd klingt, hat Katrin Deckert von der gleichnamigen Hildener Bäckerei selbst erlebt.

"Dass etwas mit der Frau nicht gestimmt hat, war mir klar. Doch einordnen konnte ich das Verhalten nur bedingt", berichtete sie gestern bei einem Pressegespräch im Rathaus. Durch eine Schulung im Rahmen des Projekts "Verstehen und verstanden werden — Miteinander leben mit Demenz" änderte sich Deckerts Perspektive: "Ich fühle mich im Umgang mit demenzkranken Menschen nun sicherer und gehe anders mit Betroffenen und den Angehörigen um."

Das von der Robert-Bosch-Stiftung noch bis August dieses Jahres mit 12 700 Euro geförderte Projekt startete im März 2013. Zwölf Unternehmen nahmen die kostenlose Schulung bereits in Anspruch oder sind angemeldet. Sina Buhrmester vom städtischen Seniorenbüro, bei der die Fäden für die Koordination zusammenlaufen, bringt die Zielsetzung auf den Punkt: "Wir wollen Hilden demenzfreundlicher machen. Auch Menschen, die an dieser Krankheit leiden, sind Teil unserer Gesellschaft und sollen so lange wie möglich selbstbestimmt am öffentlichen Leben teilhaben können." Wer Demenzkranken im Beruf begegne, könne durch die Schulung ein Verständnis für die Krankheit entwickeln und den richtigen und zugleich würdevollen Umgang mit Betroffenen trainieren.

So zum Beispiel Sigrun Kruse-Heckmann und ihre 40 Kollegen von der Rheinbahn, die als Fahrausweisprüfer immer wieder offenbar verwirrten Fahrgästen begegnen. Die Kontrolleure nahmen deshalb an einer Schulung teil. "Viele Kollegen waren beim Kontakt mit demenzkranken Fahrgästen unsicher, wie sie reagieren sollen", erzählte Kruse-Heckmann. Daher sei die Schulung sehr sinnvoll und hilfreich gewesen. Das bestätigte auch Claudia Büchel. Die Leiterin der Hildener Stadtbücherei ließ sich mit ihren 14 Mitarbeiterinnen schulen. "Viele erinnerten sich, dass sie schon Kontakt zu Kunden hatten, die offenbar an Demenz litten", erklärte sie.

Das sei häufig der Fall, hat auch Reiner Bracht vom Landesverband der Alzheimergesellschaften NRW beobachtet, der selbst als Referent arbeitet. "Weil die meisten Teilnehmer nicht wissen, wie sie mit erkrankten Menschen umgehen sollen, entsteht eine Hemmschwelle", erläuterte er. Die würde durch die Schulung abgebaut und Wege für richtiges Verhalten aufgezeigt.

Sechs Partner sind am Projekt beteiligt: Demenz-Info Center, Dorotheenpark Seniorenzentrum, Evangelisches Seniorenbüro, gemeinnützige Seniorendienste Stadt Hilden, Nachbarschaftszentrum / Seniorentreff St. Marien, Netzwerk- und Begegnungsstätte "Jungbrunnen" (Diakonisches Werk). Gemeinsam wollen sie künftig auch Kulturvereine sowie vor allem Schulen für das Projekt gewinnen. Marie-Thérèse Barbezat-Rosdeck, Leiterin des Amts für Soziales und Integration, unterstrich mit Zahlen, warum das so wichtig sei. "Der demografische Wandel macht vor Hilden nicht Halt." Ihr zufolge gebe es derzeit rund 13 000 Menschen ab 65 Jahren in Hilden, bei denen eine Erkrankung wahrscheinlich sei, etwa 1150 würden bereits an Demenz leiden. Bis zum Jahr 2030 rechnet die Stadt mit fast 1400 Erkrankten und 15 000 Gefährdeten. Der Anteil der erkrankten Frauen soll dann doppelt so hoch sein wie der der Männer.

Unternehmen, deren Mitarbeiter im Umgang mit Demenzkranken geschult wurden, sind künftig an einem Logo zu erkennen, welches zugleich das gesellschaftliche Miteinander symbolisieren soll.

(RP)
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