Hilden Bildgewaltige schöpferische Sprache

Hilden · Katharina Gun Oehlert und Karola Pasquay bewegten das Publikum mit ihrer Hommage an die Lyrikerin Gertrud Kolmar. In Mondmilch, "ein Raum in Wort und Klang", erinnerten sie im Fassraum des Wilhelm-Fabry-Museums an die Reichspogromnacht.

 Katharina Gun Oehlert (links) und Karola Pasquay lassen die Texte von Gertrud Kolmar erlebbar werden.

Katharina Gun Oehlert (links) und Karola Pasquay lassen die Texte von Gertrud Kolmar erlebbar werden.

Foto: privat

In ihren Gedichten hat sie unablässig das Fremdsein in dieser Welt beschworen – Gertrud Kolmar, die in Auschwitz ermordete große Lyrikerin. Mit einer bewegenden Hommage an die fast vergessene Dichterin erinnerten Katharina Gun Oehlert und Karola Pasquay. Es war ein leiser, eindrucksvoller Abend im Fassraum des Fabry-Museums, bei dem sich Klarheit und Tiefe von Kolmars Lyrik entfalten konnten.

Eingebettet in die poetische Kraft dieser Sprache schuf das Künstlerinnen-Duo eine meditative, in sich geschlossene Atmosphäre. In dem schlichten, matt rot ausgeleuchteten Raum saßen Katharina Gun Oehlert – im schwarzen Anzug, schmal und still, die Augen geschlossen –, daneben die Musikerin Karola Pasquay – vor sich Querflöten und einen Tisch mit Blättern, Gong und Glocke. Mit sanft schwingender Stimme rezitierte Gun Oehlert "Die Dichterin". "Du hältst mich an der Hand ganz und gar ..." Es sind Verse, die Angst vor Zurückweisung, aber auch die Hoffnung, verstanden und angenommen zu werden, ausdrücken.

Emotionale Tiefe und eine nicht fassbare Sehnsucht, die unbekannte Bilder und Gefühle beim Zuhörer nachklingen lassen, durchzieht die Lyrik der Gertrud Kolmar. Sie dokumentiert aber auch die Verzweiflung und Ausweglosigkeit eines jüdischen Menschen in dieser Zeit. Formvollendet und kühn ist die Sprache, doch das Lebensgefühl in ihr ein zutiefst Erschütterndes. Wie in "Ewiger Jude" oder in dem unter die Haut gehenden Gedicht "Die jüdische Mutter": "Ich hab nur dieses Kind, das ich in Not geboren...". Schmerzvoll lehnt sie sich in den Versen gegen Hass-Propaganda und gegen die Gewaltverbrechen der NS-Zeit auf.

Gun Oehlert spürte flüsternd, grollend, eindringlich dieser Verzweiflung nach. Mal die Augen geschlossen, mal aufblitzend, mit einem leisen Lächeln, die Hände, wie Flügel vibrierend, durchlebte sie diese Sprache. Und Pasquay webte mit ihren Querflöten um die schöne sanfte Stimme ein kongeniales Geflecht langgezogener klagender Töne.

Fast mystisch erschienen das Knistern der getrockneten Blätter, der wabernde Klang des Gongs und der helle der Glocke. Wirkungsvolle Instrumente, die rhythmisch in sphärische Klangwelten entführten, um das Düstere, Melancholische, aber auch das Lichte der Verse zu vertiefen. Wie in "Garten im Sommer" oder in "Kanarienrose".

Kolmars Lyrik schöpft auch aus ihrer großen Kenntnis der Flora und der Tierwelt. Ihre bildgewaltigen Naturimpressionen sind reich an Metaphern und Vergleichen. Wundervolle Balladen, in denen sie sich oft unscheinbaren oder hässlichen Tieren widmet, wie im "Lied der Schlange".

Noch kurz vor ihrem Tod gestand Kolmar: "Ich schaffe ja nie aus einem Hoch- und Kraftgefühl heraus, sondern immer nur aus einem Gefühl der Ohnmacht." Langer Beifall eines bewegten Publikums.

(nea)
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