Hilden Behinderte fürchten neuen Sparzwang
Hilden · Der Beirat hat eine Menge Ideen - und eine neue Beraterin für Blinde und Sehbehinderte.
Anca Skerutsch ist ab sofort Ansprechpartnerin für die Blinden und Sehbehinderten in Hilden. Die promovierte 66-Jährige ist dem neuen Behindertenbeirat beratend beigeordnet und ist bereits mit dem Angebot eines monatlichen Treffens für Interessierte gestartet. Das nächste ist am 10. September um 14.30 Uhr im Awo-Haus an der Schulstraße und wendet sich ausdrücklich an "alle Sehbehinderten und Angehörigen, die an einem Austausch interessiert sind", erzählt Skerutsch im Redaktionsgespräch. Sie folgt in ihrem Ehrenamt Wolfgang Marold. Dieser hatte sich Ende letzten Jahres aus gesundheitlichen Gründen zurückgezogen.
Der Behindertenbeirat ist Mitte Juni neu gewählt worden (siehe Info), dabei wurde Klaus Dupke als Vorsitzender bestätigt. "Ich bin im Großen und Ganzen mit dem Standard in Hilden zufrieden", sagt er. "Wir befürchten aber, dass Wünschenswertes für den öffentlichen Raum dem Sparzwang zum Opfer fällt." Der Kämmerer hat eine Haushaltssperre für Hilden verhängt, welche Ausgaben sich die Stadt noch leistet, muss der Rat von Fall zu Fall entscheiden.
Wünschenswert erscheint dem Beirat zum Beispiel: Leiteinrichtungen für Blinde zumindest für die Innenstadt zu installieren. Ohne die Leitsysteme kann sich ein Blinder kaum allein zurecht finden. Glätten des Kopfsteinpflasters für Rollstuhlfahrer. Verschiedene Schleifweisen waren bereits in der Testphase, nun ruht das Projekt. Mehr "sprechende Ampeln" für Blinde einzurichten, also Anlagen mit Piepton. Dabei gibt es immer wieder Probleme mit Anwohnern, die sich vom Piepen genervt zeigen. Ganz aktuell kümmert sich Dupke darum, dass die Behindertenparkplätze, die an verschiedenen Stellen der City Bauarbeiten zum Opfer gefallen sind, wieder eingerichtet werden. "Das geht gar nicht, die Parkplätze werden dringend gebraucht."
Dr. Anca Skerutsch, die mit ihrem Mann seit zehn Jahren in Hilden lebt, bringt viel Fachwissen mit: Mehr als 30 Jahre lang hat sie bei der Freizeitgemeinschaft Behinderte und Nichtbehinderte gearbeitet, die meiste Zeit als Leiterin des Familienunterstützenden Dienstes. "Ich bin mit der rechtlichen Lage bestens vertraut und bilde mich stets weiter", sagt die Frau, die selbst im Alter von 27 Jahren erblindet ist. Der Familienunterstützende Dienst kümmert sich um behinderte Kinder und Jugendliche in Kita und Schule, vermittelt Inklusionshelfer und ist Ansprechpartner für die Eltern. "Heutzutage werden Kinder viel zu schnell als ,behindert' bezeichnet", erzählt die gebürtige Rumänin. Früher habe man mehr Geduld gehabt etwa bei zappeligen Kindern mit hohem Bewegungsbedürfnis. Dagegen heiße die Diagnose heute oft ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-Syndrom). Damit ist das Kind "psychisch behindert". Skerutsch rät Eltern, Diagnosen, die ihnen merkwürdig vorkommen, auch zu hinterfragen: "Ich hatte einmal einen Fall von angeblich psychischer Behinderung. Dabei wollte da jemand nur einen Inklusionshelfer für seine Klasse . . ." Die Mutter habe sich damals erfolgreich gegen die Diagnose gewehrt.
Die Taschengeldbörse sei ein gut funktionierendes Instrument für Sehbehinderte, allerdings nur für den Nachmittag. "Viele Blinde bräuchten aber vormittags Hilfe, zum Beispiel zum Einkaufen." Auch Begleitung für Konzertbesuche am Abend sei erwünscht, die Begleitperson eines Behinderten hat freien Eintritt. Anca Skerutsch will versuchen, ehrenamtliche Helfer zu gewinnen und sie mit denjenigen zusammenzubringen, die die Hilfe benötigen.