Hilden/Haan Neues Gesetz: Landwirte fürchten um ihre Existenz

Hilden/Haan · Mehr Biotope unter Schutz. Es geht um eine Million Hektar, die nicht mehr landwirtschaftlich genutzt werden können. Viele Bauern sind aufgebracht.

 Die Landwirte demonstrierten in Berlin. Ein Problem ist das neue Insektenschutzgesetz.

Die Landwirte demonstrierten in Berlin. Ein Problem ist das neue Insektenschutzgesetz.

Foto: dpa/Fabian Sommer

Tagelang protestierten Landwirte bundesweit gegen das vom Bund geplante Insektenschutzpaket, organisierten Mahnwachen vor Ministerien in Berlin. Ungeachtet der massiven Kritik beschloss das Kabinett das Paket. Der Entwurf des Insektenschutzgesetzes sieht vor, mehr Biotope als bisher unter Schutz zu stellen: Künftig sollen auch artenreiches Grünland, Streuobstwiesen, Steinriegel und Trockenmauern gesetzlich geschützt werden. Auch die Lichtverschmutzung als Gefahr für nachtaktive Insekten kann demnächst eingedämmt werden. Das Paket sieht außerdem eine Änderung der Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung vor. Demnach wird der Einsatz des Pflanzenschutzmittels Glyphosat zunächst stark eingeschränkt und Ende 2023 ganz verboten.

In Schutzgebieten soll auch der Einsatz zahlreicher anderer Pflanzenschutzmittel verboten werden. Auch an Gewässerrändern gelten künftig Pestizid-Einsatzverbote.

Der Ratinger Landwirt und stellvertretende Vorsitzende der Kreisbauernschaft, Johannes Paas, erklärt, was die Bauern so auf die Palme bringt: „Schon seit 20 Jahren erbringen Landwirte freiwillige Leistungen. Dazu gehören zum Beispiel das Anlegen von Blühstreifen, den Anbau von Zwischenfrüchten oder Nistmöglichkeiten.“ Basis war eine Kooperation mit der Politik. Unter bestimmten Voraussetzungen erhielten die Landwirte Ausgleichszahlungen, denn: Wo Naturräume geschützt werden, kann keine landwirtschaftliche Bearbeitung stattfinden. Dies wiederum bedeutet für die Bauern geringere Erträge.

Was über Jahrzehnte per Handschlag funktionierte, wird nun in einen ordnungsrechtlichen Rahmen gegossen. Ein Gesetz schreibt den Landwirten jetzt also ihr Handeln vor. Gelten soll es ab Sommer 2021.

 Johannes Paas jr. mit Schlüssel Alt auf seinem Feld in Ratingen Breitscheid, wo jetzt Gerste ausgesät wird

Johannes Paas jr. mit Schlüssel Alt auf seinem Feld in Ratingen Breitscheid, wo jetzt Gerste ausgesät wird

Foto: Blazy, Achim (abz)

Landwirte fürchten nun um ihre Existenz. Bundesweit geht es um eine Million Hektar, die nicht mehr landwirtschaftlich genutzt werden können. „In Nordrhein-Westfalen sind es 150.000 Hektar“, weiß Paas. Und das ohne Ausgleichszahlung. Die Folge: Produkte müssten teurer werden, für teurere Produkte gibt es keinen Markt. „Wir müssen mit Anbietern konkurrieren, die deutlich weniger Auflagen zu erfüllen haben“, sagt Paas. Folglich müssen weitere Betriebe schließen. Laut Heinrich-Böll-Stiftung schließen bereits jetzt jedes Jahr rund 8000 Betriebe bundesweit. „Das ist von der Politik einfach rausgehauen worden“, so der Eindruck von Gerhard Rosendahl. Der Haaner Landwirt bewirtschaftet Gut Ellscheid: „Da kommt ein Riesenproblem auf uns zu.“ Auch die Bauern setzten sich für Naturschutz ein: „Dafür gibt es aber kein Patentrezept.“ Auch der Hildener Landwirt Ferdi Wirtz sieht sich zu Unrecht an den Pranger gestellt. „Glyphosat setzen wir nur noch ein, wenn gar nichts anderes mehr geht. Wer ist denn der größte Einzelverbraucher in Deutschland? Die Deutsche Bahn! Die hat keine Auflagen wegen Wasserschutzgebieten.“ Die Bahn hat 2019 rund 57 Tonnen Glyphosat ausgebracht, um ihre Schienenstränge  von Wildkräutern zu befreien. Kreisbauern-Sprecher Paas sieht den Natur- und Insektenschutz als gesamtgesellschaftliche Aufgabe mit vielen Facetten. Ebenso müssten der Flächenfraß durch Bauvorhaben und die Vorgartengestaltung auf den Prüfstand.

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