Ausbildung im Kreis Mettmann „Gerade jetzt hat Handwerk goldenen Boden“

Hilden/Haan · Die Handwerkerschaft will Azubis und Betriebe zusammenbringen. Bisher wurden zu wenig Ausbildungsverträge geschlossen, berichten Torben Viehl und Gabriele Lessel.

 Torben Viehl ist Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft.

Torben Viehl ist Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft.

Foto: Köhlen, Stephan (teph)

Die Kreishandwerkerschaft Mettmann steht für 13 Innungen und vertritt rund 1200 Mitgliedsunternehmen. Torben Viehl ist der Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft; Gabriele Leßel leitet die Abteilung Berufsbildung. Gemeinsam sagen sie: Wenn in diesem Jahr nicht noch viel mehr Ausbildungsverträge im Kreis Mettmann abgeschlossen werden, wird das den Fachkräftemängel ganz erheblich vergrößern.

Wenn Sie das Ausbildungsjahr 2021 mit wenigen Schlagworten beschreiben sollten – was würden Sie sagen?

Torben Viehl Uns macht Sorge, dass noch zu wenig Lehrverträge abgeschlossen wurden. Die Schüler müssen überzeugt werden, eine Ausbildung zu machen. Das ist eine spannende Zeit…

…weil viele Kontaktmöglichkeiten durch die Pandemie wegfallen?

Viehl Exakt. Anders als in den Vorjahren haben wir weniger Zugriff auf die angehenden Azubis. Wir durften bislang nicht mehr in den Schulen sein. Unsere Gruppenveranstaltung hier bei uns sind ausgefallen. Ausbildungsbörsen wie die sehr gute BOB in Langenfeld gab es in diesem Jahr nur virtuell. Und Praktika waren bislang nur sehr bis gar nicht möglich, weil natürlich auch unsere Handwerksbetriebe sehr auf die Corona-Auflagen achten. Dabei hätten gerade Azubis, die jetzt in einen Handwerksberuf starten, sehr viele Chancen. Sei es, dass sie den klassischen Weg gehen – Geselle, Meister. In bestimmten Kombinationen lassen sich Realschulabschlüsse im Berufskolleg nachholen. Oder aber in einem dualen oder trialen Studium vertiefen Azubis ihre theoretischen Kenntnisse vertiefen. Hinzu kommt, dass die Baby-Boomer-Generation nun langsam in den Ruhestand geht – und daher viele Inhaber Nachfolger für ihre gut eingeführten Handwerksbetriebe suchen. Natürlich ist es eine Phrase – aber deshalb nicht weniger wahr: Handwerk hat gerade jetzt goldenen Boden. Denn wir bieten viele Möglichkeiten an.

Wie wollen sie jungen Menschen die Furcht nehmen, dass sie unter Corona-Bedingungen ihren Berufsstart versemmeln könnten? Da ist es natürlich verlockend, noch ein Jahr länger im vertrauten Umfeld der Schule zu bleiben.

Viehl Dadurch besteht aber die Gefahr, dass sich die jungen Leute im Kreis drehen. Unsere Unternehmen stellen immer wieder fest, dass ihre Azubis Wissenslücken mitbringen und auch den Umgang mit Kunden oder Tugenden wie Pünktlichkeit, Verlässlichkeit erst lernen müssen. Aber viele Handwerker sind bereit, in die jungen Leute zu investieren, von denen sie überzeugt sind. Und wir als Kreishandwerkerschaft bieten Unterstützung an, wenn sich an der Berufsschule Lücken auftun. Das sollte also kein Grund sein, noch länger mit einem Ausbildungsstart zu warten.

Was bietet die Kreishandwerkerschaft zur Orientierung an?

Gabriele Leßel Die Einzelberatung geht immer. Wir haben uns vorgenommen, Termine in der Woche nach einer Anfrage tatsächlich möglich zu machen. Da lernt man sich kennen. Zudem kennen wir unsere Betriebe und können dann gezielt etwas vermitteln. Auch in Berufen, von denen es früher hieß, diese seien überproportional nachgefragt. Ich habe zurzeit 40 Ausbildungsplätze zum Kfz-Mechatroniker zu vergeben.

Ein Motto lautet ja: „Kein Abschluss ohne Anschluss“. Diese Gruppenveranstaltungen sind bislang ausgefallen. Wenn es jetzt Lockerungen gibt, wird es in dem Bereich auch wieder Termine geben?

Leßel Daran arbeiten wir zurzeit. Ich hoffe, wir bekommen Angebote in den Sommerferien hin. Dies würden wir dann auf unsere Homepage setzen (www.handwerk-me.de). Aus unserer Sicht sind diese Standardelemente sehr wichtig, um junge Menschen für das Handwerk zu begeistern. Die arbeiten dann drei Tage hier bei uns, reden mit unseren Ausbildungsmeistern, erleben selbst ein Handwerk. Das ist enorm wichtig.

Ob Eltern, Lehrer oder die jungen Menschen – sie sollen einfach hier anrufen?

Leßel Wir haben hier vor Ort die Möglichkeit, Jugendliche und Eltern gezielt zu beraten. Auch wenn man zur Sicherheit schon mal an der Schule verlängert hat, schadet es nicht, den Kontakt zur Praxis zu suchen. Es gibt die Kampagne „Ausbildung jetzt“ mit ihren Möglichkeiten. Wir bieten ein Matching an, das die Bewerber nach ihren Fähigkeiten gezielt mit Firmen zusammenbringt. Deshalb der Appell: Meldet Euch, damit wir uns kennenlernen – und dann suchen wir Lehrstellen, die frei sind und die den Wünschen und Fähigkeiten entsprechen.

Bis zu welchem Stichtag oder Monat können junge Menschen kommen, um in diesem Jahr noch eine Ausbildung anzufangen?

Viehl Es gibt bei vielen die Vorstellung, eine Ausbildung im Handwerk startet zum 1. August oder 1. September, diese kann aber auch noch später begonnen werden. Wenn es nach uns geht, sollten Interessenten aber so rasch wie möglich Kontakt mit uns aufnehmen. Dann ist noch genügend Zeit, eine Auswahl des Ausbildungsberufs zu treffen, ein Praktikum mit einem Betrieb zu vereinbaren und sorgfältig abzuklopfen, ob der ausgesuchte Handwerksberuf wirklich zu einem passt.“

Dirk Neubauer führte das Gespräch

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