Hilden Abschied von St. Johannes Evangelist

Nur in Ausnahmefällen werden Kirchen abgebrochen. Das geschieht gerade im Hildener Westen.

Abriss der Kirche St. Johannes Evangelist hat begonnen. Der Abrissbagger beißt Mauerwerk und Beton ab. Der Abbruch soll maximal 14 Tage dauern.

Foto: "Köhlen, Stephan (teph)"/Köhlen, Stephan (teph)

50 Jahre lang haben die Glocken von St. Johannes Evangelist die Gläubigen im Hildener Westen gerufen. Zu freudigen Ereignissen wie Hochzeiten, Taufen oder zur Erstkommunion. Oder auch zu traurigen wie Beerdigungen. Ende 2015 feierten die Katholiken ihren letzten Gottesdienst dort und nahmen Abschied von einem Stück Heimat. Jetzt hat der Abriss des Gotteshauses begonnen. Maximal 14 Tage lang werden die Arbeiten dauern, schätzt der Bauleiter. Beim Transport wurde der riesige Bagger beschädigt und musste repariert werden. Deshalb beginnen die Arbeiten mit einigen Tagen Verspätung. Zunächst wird das Kirchenschiff abgetragen. Der Turm soll in den nächsten Tagen abgebrochen werden.

Der katholischen Gemeinde war es wichtig, dass das Inventar würdig weiter verwendet wird. Die Glocken läuten jetzt an der Nordsee: eine in der St. Petri-Kirche in Westerstede, zwei in der Auferstehungskirche in Ihausen. Die Bänke und die Orgel gingen nach Polen. Die Kirchenfenster hat ein Hildener Künstler gestaltet. Die Gemeinde hat sie ausbauen und einlagern lassen. Auch der Grundstein mit der Zeitkapsel wurde geborgen und der katholischen Gemeinde übergeben. Vorausgegangen waren 1,5 Stunden anstrengende Arbeit mit dem Bohrhammer.

Blick in das Kirchenschiff der entweihten Kirche St Johannes Evangelist.

Foto: Tobias Dupke

Die Stadt Hilden hatte der katholischen Gemeinde das Grundstück vor rund 50 Jahren geschenkt. Deshalb wollte die Pfarre die Anliegen der Stadt bei der künftigen Nutzung einbeziehen, hatte der damalige Pfarrer Ulrich Hennes vor seinem Wechsel nach Düsseldorf versprochen. Auf dem Gelände Düsseldorfer Straße 150 plant die Baugruppe „Trialog“ ein Mehrgenerationen-Wohnprojekt. Die Gemeinde stellt das Grundstück in Erbpacht zur Verfügung. Die Energieagentur NRW hat das Vorhaben als „Klimaschutzsiedlung“ ausgezeichnet und wird es auch finanziell fördern.

Ilse Klöppelt von Trialog zeigt den Entwurf für die geplante Klimaschutzsiedlung auf dem Grundstück Düsseldorfer Straße 150.

Foto: Köhlen, Stephan (teph)

Geplant sind 28 barrierefreie Wohnungen in einem Passivhaus mit innovativem Effizienzstandard KfW 40 plus in Holzbauweise. Auf den Dächern werden rund 317 Photovoltaikmodule auf einem extensiven Gründach verbaut. Diese haben eine Leistung von rund 100 kWp und erzeugen etwa 84 MWh sauberen Strom im Jahr. Durch den Batteriespeicher mit einer Kapazität von knapp 40 kWh erhöht sich der Anteil des Solarstroms, der im Haus verbraucht wird. Die Mieter können auf Wunsch günstigen Strom direkt von den eigenen Dächern beziehen. Er soll mindestens zehn Prozent unter dem Tarif des örtlichen Grundversorgers liegen. Solarimo, ein junges Unternehmen aus Berlin, plant und betreibt die Photovoltaik-Anlage und vermarktet den damit produzierten Strom. Durch die Erzeugung von Solarstrom vermeide die Klimaschutzsiedlung rund 43 Tonnen CO2-Emissionen pro Jahr aus fossilen Kraftwerken. Dies entspreche einer CO2-Bindung von 3473 Buchen.

Blick in das Innere von St Johannes Evangelist.

Foto: Tobias Dupke

Die Idee der Gruppe Trialog ist, nachhaltig zu leben, Nachbarschaft kreativ zu gestalten, das Miteinander im Quartier zu beleben, Ressourcen zu teilen und gemeinsam zu feiern. Die Mitglieder zahlen eine Einlage, die im Bereich von 600 Euro pro Quadratmeter der jeweiligen Wohnung liegt und haben dann ein lebenslanges Wohnrecht. Die Miete, „Nutzungsentgeld“ genannt, liegt bei monatlich 10,50 Euro pro Quadratmeter. Nebenkosten fallen bei einem derart ökologisch geplanten Passivhaus nur wenige an. 2021 soll das neue Wohnhaus fertig sein.

Abriss der Kirche St. Johannes Evangelist beginnt am 09.03.2020 und soll maximal 14 Tage dauern.

Foto: Christoph Schmidt

St. Johannes Evangelist wurde 1965 erbaut – als letzte der vier katholischen Kirchen in Hilden. 1988 schloss sich die Pfarrei St. Johannes Evangelist mit der Pfarrei St. Jacobus zusammen. Der Abschied auf Raten hatte sich im September 2015 angekündigt. Seitdem waren nur noch Schulgottesdienste in St. Johannes Evangelist gefeiert worden. Die Pfarrei hatte nur noch zwei Priester im aktiven Dienst, die vier Kirchen versorgen mussten. Da musste der Pfarrgemeinderat die Zahl der Gottesdienste notgedrungen verringern.

Nach „intensivem Abwägen“ und „mit großem Bedauern“ entschieden die Gremien der Kirchengemeinde St. Jacobus, das Gotteshaus nicht weiter zu nutzen. Es wurde mit einer feierlichen Zeremonie „profanisiert“, sprich entweiht.

Für die Schließung gab es aber auch handfeste finanzielle Gründe, hatte der damalige Pfarrer Monsignore Ulrich Hennes erläutert. Dach, Ostwand, Fußboden, Kirchturm, Sakristei, Toiletten, Heizung, Beleuchtung und Elektrik hätten saniert werden müssen. Das hätte nach ersten Schätzungen 1 bis 1,5 Millionen Euro gekostet. Geld, das die Gemeinde nicht hatte. Der Betrieb der Kirche kostete jährlich rund 26.000 Euro. Dem standen Einnahmen (Kollekte) von knapp 11.000 Euro gegenüber – über fünf Jahre.

Deshalb wurde das Gotteshaus  im Westen der Stadt nach 50 Jahren aufgegeben. Pfarrhaus und Pfarrheim hatte die Gemeinde vermietet. Zuletzt nutzte der katholische Sozialdienst SKFM die Kirche als Kleiderlager. Für den Bürgerverein Hilden-West war die Aufgabe der Kirche ein schlechtes Zeichen für den ganzen Stadtteil.