Hilden Stockbrot statt Playstation

Hilden · Der Abenteuerspielplatz im Norden Hildens besteht schon seit mehr als 40 Jahren. Er ist ein Paradies für Kinder. Die Erfahrungen, die sie dort sammeln, gibt es bei keinem Videospieleabend oder in Sozialen Netzwerken.

 Ludwig (8, links) und Johannes (6) backen ihr Stockbrot über der Glut des Lagerfeuers auf dem Abenteuerspielplatz.

Ludwig (8, links) und Johannes (6) backen ihr Stockbrot über der Glut des Lagerfeuers auf dem Abenteuerspielplatz.

Foto: Köhlen, Stephan (teph)

Wenn Ludwig (8) und Johannes (6) könnten, würden sie jeden Tag am liebsten schon morgens auf den Abenteuerspielplatz gehen, um dort zu buddeln, an den Buden zu bauen, die Tiere zu füttern, im Bach zu plantschen (ja, auch bei diesen Temperaturen), Stockbrot zu backen – und einfach Kind zu sein. Aber sie haben leider auch noch andere Verpflichtungen: Schule, Hausaufgaben, Musikunterricht. Außerdem kicken sie gerne mit den Nachbarjungs, lernen digital am iPad und dürfen am Wochenende auch mal fernsehen. Und da sie nicht jeden Tag auf dem „Abi“, wie sie ihn nennen, spielen können, sind die Besuche auf dem Gelände an der Richard-Wagner-Straße ganz besonders gefragt.

Den Hildener Abenteuerspielplatz gibt es seit 1978 – und ist angesichts der rasant fortschreitenden Digitalisierung heutzutage wichtiger denn je. „Der Abenteuerspielplatz ist eine naturpädagogisch orientierte Einrichtung und möchte Kindern im Alter von sechs bis 14 Jahren die besondere Möglichkeit geben, sich auszutoben, frei zu spielen, Tiere zu versorgen, Feuer zu machen, Buden zu bauen und viel Spannendes zu erleben“, erklärt das Leitungsteam des Abenteuerspielplatzes, den die Stadt der Freizeitgemeinschaft für Behinderte und Nichtbehinderte übertragen hat. „Auf dem Abenteuerspielplatz wird gekocht, geforscht, entdeckt, miteinander gespielt, am Feuer geschmiedet, sich ausgetauscht und diskutiert und neue Freundschaften geschlossen.“ Und damit übernimmt der „Abi“ eine wichtige Aufgabe, die Playstation, Fernsehen, iPad und YouTube nicht leisten können. Doch allzu oft werden Kinder vor dem Computer oder dem Fernseher geparkt, was später zu großen Problemen führen kann.

„Kinder zwischen sechs und zehn Jahren sind in der Entwicklungsphase der mittleren Kindheit und müssen den Konflikt zwischen dem sogenannten Werksinn – sie wollen etwas Sinnvolles leisten – und Minderwertigkeitsgefühlen für eine gesunde Entwicklung bearbeiten. Hier geht es genau darum, was den Abenteuerspielplatz ausmacht: Sie erschließen sich dort die Umwelt und konstruieren etwas, bauen, entwickeln“, erklärt die Hildener Therapeutin für Kinder und Jugendliche, Anne Henze. Und sie zeigt auch gleich auf, wie wichtig diese Entwicklungsphase ist: „Sollte diese Krise nicht bewältigt werden können, kommt es zu mangelndem Selbstvertrauen. Das kann kein Tablet oder TV der Welt kompensieren. Allenfalls kann man Medien wie zum Beispiel die Sendungen von ,Checker Tobi’ dann nutzen, um Dinge noch dezidiert zu erklären, wobei das durch einen Erlebnispädagogen vor Ort viel nachhaltiger passieren kann.“

1978 stellte die Stadt der Freizeitgemeinschaft für Behinderte und Nichtbehinderte ein 4800 Quadratmeter großes Gelände an der Richard-Wagner-Straße zur Verfügung. Dort entstand der Abenteuerspielplatz mit mehr als 40 Tieren, Wald, Bach und Bretterbuden. Normalerweise lädt der Abenteuerspielplatz auch zu vielen Veranstaltungen ein, beispielsweise einem beliebten Trödelmarkt. Doch der musste wegen Corona ausfallen – wie so vieles in diesem Jahr. Und auch der sonst so unbeschwerte Besuch an einem normalen Öffnungstag ist anders als sonst. Seit dem 11. Mai hat der Abenteuerspielplatz zwar wieder geöffnet, die Anzahl der Kinder ist jedoch begrenzt. Sie müssen sich vorher anmelden (mittwochs unter Tel. 0157 34841114 von 11-15 Uhr), es gelten strenge Hygienevorschriften.

Die Mitarbeiter auf dem Abenteuerspielplatz kümmern sich mit großem Engagement um die jungen Besucher – und nehmen damit eine wichtige Rolle in der Entwicklung der Kinder ein. „Sie vermitteln den Kindern die Freude, draußen in der Natur etwas zu erleben und sich kreativ mit der Umwelt auseinanderzusetzen“, sagt Anne Henze. Solche Erlebnisse und Erfahrungen setzten sich im Gehirn und im Gedächtnis fest – und seien die Basis für die weitere Entwicklung im Bereich Lernen, aber auch für das Sozialverhalten. Somit ist der Abenteuerspielplatz trotz seines Alters eine hochmoderne und zukunftsweisende Einrichtung.

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