Hilden ,Abends bin ich fix und fertig‘

Düsseldorf · Vor fünf Jahren erkrankte Brunhilde Henschel an Alzheimer. Seitdem pflegt sie ihr Mann Horst. Hilfe fand der 78-jährige Pensionär in der Selbsthilfegruppe für Angehörige von Demenzkranken in Hilden.

HILDEN/HOCHDAHL Der Fernseher läuft leise im Wohnzimmer von Horst und Brunhilde Henschel. „Bei Tierfilmen reagiert sie noch“, sagt Horst Henschel und reicht seiner Frau einen Apfelsaft. Der Tag hat für den 78-Jährigen um fünf Uhr morgens begonnen. Pausen kennt er kaum seit fünf Jahren: Zu der Zeit erkrankte Brunhilde an Alzheimer. Die Goldene Hochzeit hat sie noch bewusst erlebt. Nach einer Urlaubsfahrt in ihre alte Heimat, den Harz, veränderte sich ihr Wesen. Und für ihren Mann das Leben.

„Eine Röntgenaufnahme bewies 2003 eine fortschreitende Vermilchung in Brunhildes Gehirn.“ Heute zeigt sie nur noch wenig Anteilnahme an ihrer Umgebung, aber ein Lächeln huscht über ihr Gesicht, als im Gespräch ihre Eltern erwähnt werden. Rund um die Uhr ist ihr Mann für sie da. „Ich bin jetzt Pfleger“, sagt Henschel, der in früheren Jahren Verkaufsleiter eines großen Konzerns war. Haushalt, Kochen, Einkaufen, all die Dinge, die seine Frau jahrzehntelang erledigte, musste er lernen.

Henschels hatten drei erwachsene Kinder. Der älteste Sohn starb vor einem halben Jahr, der zweite Sohn und die Tochter sind berufstätig und können die Mutter nicht betreuen. Hilfe fand der Pensionär in Hilden. Er wurde auf die Selbsthilfegruppe für Angehörige von Demenzkranken durch ein Plakat aufmerksam. Hier bekam er Zuspruch und viele gute Ratschläge. „Ich habe mich in zehn Heimen umgesehen und beschlossen, dass meine Frau bei mir bleibt, solange sie noch gehen kann und mich erkennt.“ Nach vielen Anträgen und noch mehr Wartezeit wurde Brunhilde jetzt Pflegestufe II zuerkannt, was für Henschels ein Mehr in der Kasse von 410 Euro im Monat ausmacht. Jeden Montag fährt der Ehemann mit dem Auto nach Hilden ins Klön-Café. Zweieinhalb Stunden wird Brunhilde hier betreut, hat er eine Pause für Erledigungen. Eine vierwöchige Kurzzeitpflege, die die Krankenkasse zahlen würde, kommt nicht in Frage, denn die Kranke ist fluchtgefährdet. „Sie will immer nach Hause. Für eine sichere Unterbringung bräuchte ich die Zustimmung vom Amtsgericht. Das will ich nicht.“ Und so wird Horst Henschel, der selbst schon einen Herzinfarkt und einen Schlaganfall erlitten hat, solange wie möglich seine Frau waschen und wickeln, die von ihr versteckten Gegenstände suchen und sie abends um sechs zu Bett bringen. „Sie steht aber noch mehrmals auf. Um zehn bin ich fix und fertig.“

Trotzdem versucht er , sein Leben positiv zu sehen, und verdrängt die Tränen, die ihm während seiner Schilderungen immer wieder kommen. Denn einen Lichtblick hat die Woche für Horst Henschel: Freitags kommt für drei Stunden eine Hilfe in Haus. „Dann spiele ich mit meinen alten Freunden Tennis, im Doppel, wie schon seit 35 Jahren.“

(RP)
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