Hilden/Haan 88 Senioren müssen Führerschein abgeben

Hilden/Haan · Sieben Ältere gaben ihre Lizenz freiwillig ab, sagt die Kreisverwaltung. Landrat ist gegen eine starre Überprüfung.

Beim Zurücksetzen von einem Grundstück auf die Talstraße verlor eine 72-jährige Autofahrerin in Haan vor kurzem die Kontrolle über ihr Auto und fuhr rückwärts in ein Fachwerkhaus. Ein 80-jähriger Autofahrer in Hilden verwechselte bei der Ausfahrt aus der Rathaus-Tiefgarage das Brems- mit dem Gaspedal und landete samt Auto in der Itter.

Bei beiden Unfällen wurde niemand verletzt. Der Sachschaden war jedoch beträchtlich. Nachrichten wie diese lösen immer wieder Debatten über die Fahrtüchtigkeit von Senioren aus. 2012 gaben sieben Senioren im Kreis ihren Führerschein freiwillig ab, berichtet Kreissprecherin Daniela Hitzemann. 88 fielen jedoch bei einem Eignungstest durch und mussten ihre Lizenz abgeben.

"Es gibt keine besonderen Auffälligkeiten bei älteren Autofahrern", stellt Thoma Decken, Leiter der Direktion Verkehr bei der Kreispolizei Mettmann, fest: "Senioren sind auch nicht häufiger in Unfälle verwickelt als andere Altersgruppen." Die Zahl der an Verkehrsunfällen beteiligten Senioren (ab 65) ist im vergangenen Jahr in Hilden von 119 in 2011 auf 112 und in Haan von 61 auf 54 zurückgegangen.

Das bestätigen auch die Zahlen für den Kreis (von 894 auf 787). Statisch betrachtet sind Verkehrsteilnehmer über 65 Jahre nach Angaben der Deutschen Verkehrswacht unterproportional an Unfällen mit Verletzten beteiligt. Ihr Anteil liegt bundesweit bei 9,2 Prozent, obwohl sie 19 Prozent der Bevölkerung stellen.

Der Anteil der Älteren in der Bevölkerung wächst allerdings. Und Senioren wollen immer länger Auto fahren. Laut Prognose von IT.NRW wird die Zahl der über 80-Jährigen in Hilden von 3020 (2010) auf 5530 in 2030 steigen; in Haan von 1500 auf 2230. Fakt ist: Mit dem Alter gehen körperliche Beeinträchtigungen wie ein vermindertes Hör- und Sehvermögen und einer geringere Beweglichkeit einher. Die Reaktionen von Autofahrern seien ab 70 deutlich langsamer als bei jüngeren Fahrern. Decken: "Das ist gerontologisch nachgewiesen." Der Verkehrsfachmann der Polizei weist auf eine Auffälligkeit hin: Senioren legten zwar weniger Kilometer als andere Altersgruppen zurück. Wenn man das berücksichtige, seien Senioren an mehr Unfällen pro gefahrenem Kilometer beteiligt als etwa junge Fahrer.

Der ADAC und viele Politiker lehnten eine Fahrtüchtigkeitsprüfung ab einer bestimmten Altersgrenze jedoch ab. "Das ist ein heißes politisches Thema", so Decken: "Wir empfehlen älteren Autofahrern, sich nur noch so wenig wie möglich hinters Steuer zu setzen und bekannte Strecken im Hellen zu fahren." Die Polizei versuche, bei den Kindern der Senioren anzusetzen: "Die machen sich nämlich häufig große Sorgen um ihre Angehörigen." Von der Polizei ausgebildete Altersgenossen (Seniorensicherheitsberater) versuchten, mit den Senioren am Steuer ins Gespräch zu kommen — "ohne erhobenen Zeigefinger" und in einer "angriffsfreien Kommunikation". Die Argumentation gehe in etwa so: Warte nicht, bis etwas passiert. Wenn durch deine Schuld ein Mensch zu Schaden oder gar umkommt, wirst du deines Lebens nicht mehr froh.

"Wir haben das Thema bislang bewusst ausgespart, weil es uns konkret betrifft", gibt Dr. Artur Koch, Zweiter Vorsitzender des Haaner Seniorenbeirats, zu. Der 77-jährige Arzt im Ruhestand fährt noch gerne Auto, lässt sich aber mindestens einmal im Jahr von Kopf bis Fuß untersuchen. Wer Mittel gegen Bluthochdruck nehme, sollte als Autofahrer besonders achtsam sein, weil seine Reaktionsfähigkeit dadurch eingeschränkt werden könne.

Landrat Thomas Hendele ist als Polizeichef gegen eine starre Überprüfung der Fahrtüchtigkeit im Alter. Er appelliert an die Einsicht der Betroffenen — bei jeder Ehrung unfallfreier Autofahrer.

(RP/rl/top/anch)
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