Haan Vor 70 Jahren: Bombenhagel verfehlt erneut den Güterbahnhof

Haan · Militär-Unterlagen liefern falsche Angaben zum Wetter. 24 Menschen sterben Silvester 1944 in Haan und 28 verlieren Neujahr 1945 ihr Leben.

 Ein Lancaster-Bomber lädt seine tödliche Fracht ab. 4,7 Tonnen Sprengkörper waren am Rumpf des gewaltigen Flugzeugs montiert.

Ein Lancaster-Bomber lädt seine tödliche Fracht ab. 4,7 Tonnen Sprengkörper waren am Rumpf des gewaltigen Flugzeugs montiert.

Foto: Archiv Manfred Kohl

Der verheerende Bombenangriff am Silvestertag 1944, bei dem vor allem Solingen und Haan von den Sprengkörpern getroffen wurden, die eigentlich dem Verschiebebahnhof Vohwinkel galten, forderte in Haan allein 24 Todesopfer. Als Grund für die Fehlwürfe wird von der Royal Air Force eine "dichte Wolkendecke" und "starker Wind" angegeben, der die Markierungsbomben nach Süden abgetrieben habe. "Doch diese Angaben sind nicht korrekt. Ich kann mich an einen schönen Wintertag mit strahlend blauem Himmel und guten Sichtverhältnissen erinnern", schreibt Manfred Kohl in seinem Buch zu den Angriffen vor 70 Jahren.

Auch andere Zeitzeugen, die in Schutzräumen überlebten, bestätigen diese Erinnerung. An der technischen Ausrüstung der Lancaster könne es auch nicht gelegen haben, ist Manfred Kohl überzeugt. Jede Maschine hatte das Bombenzielgerät "SABS" (Stabilizing Automatic Bomb Sigt) an Bord, das bei einer Abwurfhöhe von 6000 Meter mit einer Abweichung von lediglich 90 Metern aufwarten konnte. Außerdem wurden die Flugzeuge per "Gee-H", einem präzisen Radio-Navigationssystem geleitet, das eine Genauigkeit von 110 Meter auf 400 Kilometer Entfernung aufwies. Die Bomberbesatzungen waren aber sehr nervös, standen sie doch unter Feuer der Flak-Batterien und waren Ziel von Jäger-Angriffen.

Das Ausklinken der todbringenden Bombenlast um nur wenige Sekunden zu früh hatte fatale Folgen: Eine Minute in der Luft bedeuteten fünf Kilometer am Boden. Auch am Neujahrstag 1945 gab es blauen Himmel und Sonnenschein. Gegen Abend begann es zu schneien. Um 19.17 Uhr wurde Fliegeralarm auslöst. 13 Minuten später begann ein zweiter Angriff auf den am Vortrag verfehlten Bahnhof Vohwinkel. Das Bombardement hielt bis 20.05 Uhr an. In der zweiten Angriffswelle wurden 146 Lancaster-Bomber eingesetzt, die mit je 4,7 Tonnen Bomben an Bord gegen 16 Uhr von ihren Feldflugplätzen in Mittelengland gestartet waren. 141 Maschinen erreichten ihr Zielgebiet. Die Besatzungen berichteten bei ihrer Heimkehr, dass die roten und grünen Zielmarkierungen ausgezeichnet gelegen hätten. Dennoch kam eine Vielzahl der Bomben auch über Haan nieder.

Das Ausmaß der Angriffe wundert doch. Denn der Verschiebebahnhof Vohwinkel hatte keinen großen strategischen Wert. Vermutet wird, dass die Unterbrechung des Schienenweges die Ardennenoffensive von Hitlers Wehrmacht stören sollte.

Manfred Kohl selbst forscht weiter, versucht Schicksale zu klären. Noch immer fehlt ihm eine sichere Erkenntnis über den Verbleib des siebten Besatzungsmitgliedes des im November 1944 an der Steinstraße abgestürzten Bombers. Erst im November waren Hinterbliebene der getöteten englischen und kanadischen Soldaten an der Absturzstelle. Sie hatten den Kontakt zu Kohl nicht zuletzt durch RP-Artikel gefunden, die vor Jahren über RP-Online ins Internet gelangten.

Die Vielzahl der Bombenopfer in Haan rechtfertige doch, eine städtische Gedenkstunde oder -feier einzurichten, regte der Haaner Arne Hinz an. Die Toten vom Jahreswechsel 1944/45 zählen indes zu den Opfern der Weltkriege und des Nazi-Regimes, derer alljährlich am Volkstrauertag im November gedacht wird.

(RP)
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