Haan Vom Ringofen zum weltbesten Kalkbrenner

HAHNENFURTH/Haan · Die Kalkwerken Oetelshofen leisten Pionierarbeit. Die innovative Technik lockt Experten aus aller Welt an.

 Kalkwerke Oetelshofen, die weltweit modernsten Kalkbrennöfen:  In der Mitte der Nachtaufnahme (mit Vollmond) sind die beiden GGR-Öfen zu sehen.

Kalkwerke Oetelshofen, die weltweit modernsten Kalkbrennöfen: In der Mitte der Nachtaufnahme (mit Vollmond) sind die beiden GGR-Öfen zu sehen.

Foto: Foto: Mikko Schümmelfeder

Sie sind die Allergrößten? Na gut, das wäre wohl übertrieben. Schaut man hingegen auf die inneren Werte, so kann ihnen keiner das Wasser reichen. Oder besser den Kalk – denn der ist es, der aus ihnen herausrieselt. Wer weltweit auf der Liste der Kalkbrennöfen ganz oben steht, der darf sich ruhig etwas darauf einbilden. Warum das so ist? Nun ja, da wird’s dann doch ziemlich technisch. Die modernen GGR-Öfen sind nicht etwa diejenigen, in die man oben am meisten reinschütten kann. Und auch nicht diejenigen, aus denen unten am meisten rauskommt. Aber ihre Energieeffizienz! „Die liegt bei 90 Prozent, das ist nicht zu toppen“, kommt Jörg Iseke ins Schwärmen. Wer diese Begeisterung eines Kalkwerkechefs verstehen will, muss wissen, wie so ein Ofen funktioniert. Vielleicht könnte der Vergleich mit der Glühbirne herhalten, um dieses Phänomen zu erklären.

 Die Kalksteine werden über ein Transportband in den Ofen befördert und dort gebrannt.

Die Kalksteine werden über ein Transportband in den Ofen befördert und dort gebrannt.

Foto: Mikko Schümmelfeder

Früher hätte man mit einer 100 Watt-Birne auch ganz gut heizen können. Mit ihr wurde es wunderbar hell, aber sie wurde auch ziemlich heiß. Viel Strom wurde dort verpulvert, wo man ihn nicht brauchte. Mittlerweile stehen die Klassiker nicht nur auf der roten Liste, sondern sind sogar verboten - stattdessen schrauben wir Energiesparlampen in die Fassung.

 Die Ofenleitwarte: Die Steuerung könnte man theoretisch auch per App von der heimischen Couch  abwickeln.

Die Ofenleitwarte: Die Steuerung könnte man theoretisch auch per App von der heimischen Couch  abwickeln.

Foto: Mikko Schümmelfeder/Foto: Mikko Schümmelfeder

So ähnlich läuft´s mit den modernen Kalköfen, in denen kaum noch Energie für unnütze Abläufe verpulvert wird. Nun ist es beim Kalkbrennen längst nicht mehr so, dass einer ein Feuer anmacht und der Kalkstein durchgeschoben wird. Der Prozess ist kompliziert geworden und wir ersparen uns hier die technischen Details. Am Ende ist der Energieverlust bei den beiden Giganten verschwindend gering – und das allein ist es, was zählt.

Das der weltweit erste dieser Öfen vor mittlerweile zwölf Jahren ausgerechnet bei den Kalkwerken Oetelshofen gebaut wurde, ist wohl dem Hang der beiden Geschäftsführer zu waghalsigen Ideen zu verdanken. Jeder andere hätte sich an vermutlich den Kopf gefasst in Anbetracht der Geschichten, die Moritz und Jörg Iseke damals von einem italienischen Ofenbauer zu hören bekamen. Der Mann versprach nicht weniger als einen Quantensprung bei der Energieeffizienz – und das für eine Erfindung, die es bis dahin gerade mal aufs Papier geschafft hatte. Man braucht schon Nerven, um sich auf derart exaltierte Daniel-Düsentrieb-Ideen einzulassen. Bei den Kalkwerken hatte man davon offenbar genug, der erste GGR-Ofen ging 2007 in Betrieb.

Nach rekordverdächtigen sechs Monaten Bauzeit bei laufendem Betrieb - schließlich standen ja nebenan noch die drei Ringschachtöfen, die weiterhin Kalk brennen mussten. Die Teile wurden angeliefert und eingebaut – zuweilen ging es um Zentimeter.

„Wir haben damals für den ersten Ofen einen halben Jahresumsatz investiert“, erinnert sich Jörg Iseke an den Beginn einer Erfolgsgeschichte, die noch immer „Ofen-Touristen“ aus aller Welt nach Hahnenfurth locken. So wie den Scheich aus Saudi-Arabien, den man nicht selbst ansprechen durfte. Stattdessen wurde die Plauderei nach dem Stille-Post-Prinzip über die mitgereiste Entourage weitergetragen. Oder der Inder, der sich gleich eine Excel-Einkaufsliste mit Laborgeräten ausdrucken ließ, um die für den in der Heimat geplanten Werksneubau bestellen zu können.

Übrigens, die beiden Giganten werden die letzten Öfen sein, aus denen bei den Kalkwerken Oetelshofen der gebrannte Kalk rieseln wird. Das Vorhaben reicht bestenfalls noch 30 Jahre, so lange sollen die beiden GGR´s gute Dienste leisten. Noch stehen nebenan Ringschachtöfen, die schon mal angeworfen werden, um die Wartungszeit ihrer Nachfolger zu überbrücken.

Angefangen hatte das mit der Kalkbrennerei bei Oetelshofen übrigens ganz kurios – vor mehr als 100 Jahren mit dem ersten Ringofen. Schon als der gebaut wurde, hatte man den Amtsschimmel durchs Dorf getrieben. Keinesfalls durfte man auf dessen Dach schlafen und auch andere menschliche Bedürfnisse sollten dort keinesfalls verrichtet werden. Stattdessen musste nebenan ein Abort gebaut werden – mit Schamwänden und Dunstabzug. Zuvor hatte ein Auktionator drei Kerzenstummel abbrennen lassen und dann mangels höherer Gebote den Hof Gerhardtsfurth der Familie Oetelshofen zugeschlagen. Dort wurde fortan Kalk verkauft - und dazu noch Schweine und Eier von freilaufenden Hühnern.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort