Sozialpolitik in Haan Flüchtlingsbetreuung: Streit ums Tempo

Haan · Die Verwaltung würde gerne künftig selber Flüchtlinge und Obdachlose betreuen. Sie drückt aufs Tempo für eine neue Regelung. Das gefällt nicht allen.

 Der Vertrag mit European Homecare läuft in Haan noch bis Ende kommenden Jahres.

Der Vertrag mit European Homecare läuft in Haan noch bis Ende kommenden Jahres.

Foto: Woitschützke, Andreas (woi)

Bernd Stracke war sauer: „Wir hatten doch ausdrücklich gesagt, dass das Thema erst im neu gewählten Stadtrat beraten werden soll“, meldete sich der SPD-Politiker jetzt im Unterausschuss für Organisation, Personal und Controlling zu Wort. Doch jetzt wolle die Stadtverwaltung offenbar entgegen der Absprache mit der Politik „alles noch im alten Stadtrat durchpeitschen“.

Das Thema ist wichtig: Es geht um die Entscheidung, ob die Integrationsarbeit mit Flüchtlingen und Obdachlosen künftig wieder von städtischen Kräften übernommen werden soll, oder ob man weiter Träger über eine Ausschreibung sucht – zuletzt hatte dies zu einem Vertrag mit der nicht unumstrittenen Firma European Homecare geführt.

Die will die Stadt offenbar lieber heute als morgen wieder loswerden. Und so hieß es in einer Beschlussvorlage für den Unterausschuss jetzt deutlich, die Politiker sollten die Verwaltung beauftragen „keine erneute externe Ausschreibung vorzunehmen, sondern hierfür drei Stellen im Stellenplan 2022 zu berücksichtigen“. Entscheiden müsste das der Stadtrat Ende  Oktober – doch der tagt dann noch in alter Besetzung.

„Das geht so nicht“, kritisierte Stracke: „Und das haben wir im Frühjahr auch nicht so beschlossen.“ Die Grün-Alternative Liste hatte seinerzeit angefragt, ob es generell möglich sei,  dass die Stadt die Flüchtlingsbetreuung wieder selbst übernehme. GAL-Vorsitzender Jochen Sack sah sich damals freudig überrascht, denn die Verwaltung hatte als Antwort eine umfangreiche Beschlussvorlage erarbeitet.

Im Rathaus sieht man viele Vorteile in der Arbeit mit eigenen Kräften: Demnach würde die Bezugsperson nicht so oft wechseln, Fachwissen ginge nicht mehr verloren  – und den Geldbeutel schonen würde das Modell vermutlich auch noch: Rund 55.000 Euro, heißt es. Wichtigster Punkt jedoch: Ein Anbieterwechsel alle zwei Jahre kann so vermieden werden.

Allerdings hat die Verwaltung auch negative Effekte  aufgelistet: Das Risiko für die Stellenbesetzung und Personalausfälle liegt ausschließlich bei der Stadt. Angesichts des Fachkräftemangels in sozialen Berufen keine Kleinigkeit.

Zudem sorgt ein Aspekt für Sorge bei den Sozialverbänden: Mit dem Eigen-Engagement würde Haan vom Subsidiaritätsprinzip abrücken – und das ist keine Kleinigkeit. Das Prinzip besagt:  Wo freie Träger die sozialen Aufgaben des Staates übernehmen können, sollen sie es tun. Die katholische Caritas, die evangelische Diakonie, das Rote Kreuz oder die Awo wurden dadurch zu großen Sozialunternehmen.

All diese Aspekte gilt es noch zu diskutieren, findet Stracke – und zwar in Ruhe. Das sahen die meisten Mitglieder inklusive dem Ausschussvorsitzenden Michael Ruppert (FDP) ähnlich und verwiesen den Tagesordnungspunkt auf den ersten Sozial- und Integrationsausschuss der neuen Ratsperiode. Den Einwand der Verwaltung, man müsse aber Gas geben und schon dieses Jahr Geld für Personal in den städtischen Finanzetat einstellen, wenn man die Flüchtlingsbetreuung nach dem Ende des Vertrags mit European Homecare (31. Dezember 2021) übernehmen wolle, konterte Meike Lukat (WLH). Die Haushalts- Einbringung, sagte sie, werde doch „ohnehin verschoben, da bleibt uns genug Zeit“.

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