Kultur in der Gartenstadt Das ist bei der neuen Kunstaktion in Haan geplant

Haan · Eine erfolgreiche Pianistin zieht nach Haan und findet ein Haus, in dem sie ihre Ideen verwirklichen kann. Das Ergebnis eines Denkprozesses kommt am 20. August auf die Bühne. Wobei „Bühne“ in diesem Fall nur bedingt stimmt.

 Lisa Eisner-Smirnova am Flügel in ihrem Haus in Haan. Bei der Aktion am 20. August bezieht die Pianistin auch die Wilhelmstraße mit ein.

Lisa Eisner-Smirnova am Flügel in ihrem Haus in Haan. Bei der Aktion am 20. August bezieht die Pianistin auch die Wilhelmstraße mit ein.

Foto: Köhlen, Stephan (teph)

Die klassische Musik ist immer noch die beste aller Zeiten. Zumindest in den Augen von Lisa Eisner-Smirnova. Und die ist in diesem Bereich kein gänzlich unbeschriebenes Blatt. Ein Kollege dieser Zeitung hat die Pianistin und Professorin der Robert-Schumann-Hochschule Düsseldorf schon 2011 in eine Kategorie mit Glenn Gould geschrieben. „Aber was der klassischen Musik oft fehlt, ist ein Bezug zum heutigen Leben“, sagt Eisner-Smirnova, 49, bei einem Treffen in Haan. Dort lebt die in Moskau geborene Österreicherin heute. Ihre Arbeit in der Landeshauptstadt, Vier-Augen-Unterricht in der Hochschule, das war spätestens in der Pandemie nicht mehr mit dem Pendeln aus Wien zu vereinbaren.

Und das freihestende Haus in der Wilhelmstraße spielt nicht nur für Eisner-Smirnovas ungestörte Klavierübungen eine wichtige Rolle, sondern auch für das, was sie jetzt geplant hat: Eine Kunstaktion mit vier Elementen, die einerseits für sich stehen sollen und doch auch gemeinsam als Einheit funktionieren. Im Zentrum steht „Die Kunst der Fuge“ von Johann Sebastian Bach, dieser Zyklus von 14 Fugen und vier Kanons, um den sich so viele Geschichten ranken. Lisa Eisner-Smirnova selbst spielt die Kunst der Fuge am Flügel, in freier Anordnung. „Man kann die Sätze, das Stück hat ja frei kombinieren. Das ist das Spannende, wie Lego eigentlich“, sagt sie. Außerdem wird es zwei Installationen geben. Einen Videoloop von Joyce Rohrmoser und Sina Moser. Dabei sollen Bilder vom Ursprung des Lebens mit dem musikalischen Verfahren der Fuge verarbeitet werden. Die Installation von Maxim Seloujanov und Yuri Sorokinist ist ein multimodales Porträt einer Künstlerin, die immer bereit ist, sich permanent neu zu erfinden. Außerdem wird Henning Kirsch ein Percussion-Schlagzeug-Solo mit Zitaten verbinden.

Bis zur Kunstaktion „Spiegelwelten“ war es ein weiter Weg. Die konkreten Planungen laufen seit einem halben Jahr, aber Eisner-Smirnovas Entwicklung läuft schon deutlich länger. „Ich habe angefangen, ins Publikum zu schauen und zu denken: ‚Hier sitzen seit Jahren die gleichen Menschen‘. Dabei ist doch die Kunst für alle da“, sagt die Pianistin. Zudem habe sie eine zunehmende Kommerzialisierung wahrgenommen, von dem echte Qualitäten, von dem künstlerische Produkte verdrängt würden. „Das alles ist eine eher destruktive Entwicklung“, sagt die Pianistin.

15 Jahre lang arbeitete sie als freischaffende Künstlerin. In der Zeit lief das alles so neben ihr weiter. Sie machte sich Gedanken, hatte aber auch nicht die Freiheit, eine so aufwendige Aktion zu planen. Jetzt ist das anders. Auch ihr neuer Wohnort spielt dabei eine nicht unwichtige Rolle: „Ich verstehe mein Haus hier auch als Raum der offenen Gedanken und des Austauschs“, sagt Lisa Eisner-Smirnova. Ihre Aktion wird genau dort stattfinden. Sie lebt im oberen Bereich, unten wird Platz für die Kunst geschaffen. Der Wohnraum dort verwandelt sich in einen Konzertsaal, aber nicht im klassischen Sinne. Die Fenster werden geöffnet, die Töne des Flügels auch auf der dann gesperrten Straße vor dem Haus zu hören sein.

„Es gibt keinen Dresscode, die Menschen sollen tragen, was sie wollen“, sagt sie. Und auch das sonst verpönte Trinken während der Aufführung ist bei „Spiegelwelten“ erlaubt. „Es gibt keinen festen Start- oder Endpunkt. Die Menschen können kommen, wann sie wollen“, sagt Eisner-Smirnova. Die Aktion startet um 13 Uhr und endet um 16 Uhr. Nicht alle Darbietungen laufen ständig und nicht immer gleichzeitig. Genau das mache die Erfahrung aber auch aus.

Den letzten Ausschlag für das neue Projekt habe die Pandemie gegeben. Da habe sich Eisner-Smirnova gefragt, ob Kunst eigentlich ein Luxusgut sei oder ein Menschenrecht? Sie möchte, dass ihre Aktion für alle Menschen zugänglich ist. Darum ist sie kostenfrei und richtet sich auch an Personen, die zufällig vorbeikommen. Die Installationen werden in dem Gebäude gegenüber von Eisner-Smirnovas Haus stattfinden, Die Schlagzeug-Rezitation gleich direkt auf der Straße. So soll ein Raum geschaffen werden, in dem man frei ist, zu kommen und zu gehen, aber gleichzeitig auch Teil des Kunstwerks ist.

„Wir haben keine Ahnung, wie es laufen wird“, sagt Eisner-Smirnova. Das Projekt sei ein Experiment, das im besten Falle weitergeführt werden soll. Wie genau das dann aussieht, sei noch nicht klar. Die Künstlerin lebt eben in einem Haus der offenen Gedanken, da kann sich einiges entwickeln. Und auch neu wieder zusammensetzen.

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