Freiwilligenarbeit in Afrika Haanerin leistet Hilfe für Kinder in Namibia

Windhoek/Haan · Die Haanerin Vivien Hänell reiste 2021 erstmals nach Namibia um dort Freiwilligenarbeit zu leisten. Noch bis Januar betreut sie vor Ort andere Freiwillige. Sie erzählt von den Besonderheiten, von ihren Erlebnissen mit Kindern und den Herausforderungen, denen sie in jenem Land begegnet, das eine so bewegte Geschichte mit Deutschland teilt.

Wadadee Cares in Namibia: Viviel Hänell leistet Freiwilligenarbeit
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Haanerin leistet Hilfe für Kinder in Namibia

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Foto: Vivien Hänell

Als Vivien Hänell sich im August 2021 aus Haan auf den Weg nach Namibia machte, wusste sie kaum, was sie erwarten würde. Die damals 26-Jährige hatte sich für einen sechsmonatigen Freiwilligendienst bei der Organisation „Wadadee Cares“ entschieden. Im Fokus des gemeinnützigen Vereins steht die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen.

„Namibianische Eltern haben oft kein Geld, Kinder in den Kindergarten oder die Schule zu schicken“, erklärt Hänell. Die Kinder landeten dann oft auf der Straße und bettelten oder Süßigkeiten verkaufen, um sich über Wasser zu halten. „Wir holen die Kinder von der Straße weg und versuchen ihnen das zu vermitteln, was sie sonst in der Schule lernen würden“, meint Hänell. Das Engagement der Freiwilligen bestehe außerdem darin, den Kindern die Aufmerksamkeit und Liebe zu schenken, die sie so dringend bräuchten, erzählt die Haanerin.

Nach Ablauf ihres sechsmonatigen Freiwilligendienstes reiste Hänell zurück nach Deutschland – wo es sie allerdings nicht lange hielt. Nur ein Jahr später machte sie sich wieder auf den Weg in die Hauptstadt Windhoek. Dort ist sie auch jetzt noch – nicht mehr als Freiwillige, sondern als Betreuerin der neuen Freiwilligen.

In den Monaten, die nach Vivien Hänells Ankunft in Namibia folgten, sahen ihre Tage ganz anders aus, als sie es aus ihrem Leben in Haan gewohnt war, berichtet sie. Anstatt morgens zu ihrer Arbeit bei der Verwaltung des Kreises Mettmann zu fahren, ging es für sie in den namibischen Supermarkt, um Zutaten für das Mittagessen in der Suppenküche der Organisation zu kaufen. Anschließend unterstützte die Haanerin die Kinder bei der Hausaufgabenbetreuung. Die Kinder dort befänden sich auf den unterschiedlichsten Bildungsniveaus, erklärt Hänell. Mit Deutschland könne man das nicht vergleichen. „Es geht um sehr einfache Matheaufgaben. Einigen Kindern muss man erklären, dass Deutschland nicht nur eine Stunde Autofahrt von Namibia entfernt ist“, berichtet Hänell.

Eine pädagogische Ausbildung hat sie nicht. Häufig sind die deutschen Freiwilligen noch sehr jung, nicht selten gerade 18. Qualifikationen seien aber für ein Volontariat im Bereich Unterricht und Suppenküche nicht notwendig, heißt es auf der Homepage der Organisation. Für den Unterricht in Namibia reiche es trotzdem. Wichtig sei stattdessen vor allem Englisch. „Gerade anfangs kommt man mit dem Schulenglisch gut voran“, meint Hänell, „man lernt dann noch mal dazu, während man hier ist.“

Im Anschluss an die Nachmittagsbetreuung unterstützte Hänell das Kinderheim der Organisation. „Das sind nicht alles Vollwaisen“, erklärt sie, „sondern auch Kinder von Eltern die sich nicht kümmern können oder wollen.“ Auch Alkoholsucht sei in Namibia ein großes Problem, erklärt sie, immer wieder kämen Kinder alkoholgeschädigt zur Welt. Laut Zahlen der Weltgesundheitsorganisation trinken Namibier 5,2 Liter puren Alkohol pro Kopf im Jahr. Im Vergleich: In Deutschland sind es rund zehn Liter.

Bei ihrer Arbeit in Namibia habe sie auch Dinge gesehen, die sie schockiert hätten, erklärt die Haanerin. Etwa damals, als Moses, ein zehnjähriger Junge plötzlich breitbeinig zum Mittagessen gehumpelt kam. „Er wollte erst nicht erzählen, was los ist. Irgendwann ist er dann mit der Sprache herausgerückt“, schildert Hänell. Dem Jungen sei kochendes Wasser in den Schoß geschüttet worden. „Ob es ein Unfall oder Absicht war, wissen wir nicht.“ Sie habe sich damals mit dem Jungen ein Taxi genommen und sei in die nächste Klinik gefahren, erzählt sie. Dort habe man Moses Antibiotika und verschiedne Salben verschrieben. „Mehr konnten die Ärzte dort nicht für ihn tun“, erzählt Hänell. Kostenpunkt für die Behandlung: 180 Euro. Die Kosten habe damals der Verein getragen. Eine Krankenversicherung gebe es in Namibia nicht, erklärt Hänell.

Abgesehen von der Arbeit im Projekt, bei dem man auch viel Armut und Leid erlebe, sei Namibia ein aufregendes Land. Die Volontäre würden viel gemeinsam unternehmen, erklärt Hänell. „Wir haben Partys gefeiert, waren essen und haben zusammen gelacht.“ Es gebe Safari-Touren und Ausflüge in die Sossusvlei-Region, in der auch die höchste Düne der Welt liegt.

Freiwilligenorganisationen wie Wadadee stehen immer wieder in der Kritik, keine nachhaltige und kultursensible Hilfe leisten zu können. Auch Hänell weiß um diese Kritik. Bei Wadadee versuche man, die Volontäre auf den Aufenthalt vorzubereiten, erklärt sie. Neben einem Erste-Hilfe-Kurs am Kind verlange der Verein auch ein einfaches Führungszeugnis. Dass in namibischen Schulen zu anderen Erziehungsmethoden als in Deutschland gegriffen werde, erkläre man den Volontären im Vorgespräch. Außerdem seien Workshops geplant, bei denen die jungen Menschen über die grausame deutsch-namibische Vergangenheit aufgeklärt würden. „Wir wollen sie darauf hinweisen, dass das Leben in Namibia ein anderes ist.“ Trotz aller Herausforderungen und dem täglichen Leid, das sie erlebe, sei die Arbeit sinnstiftend und trage Früchte. Aktuell überlegt Hänell sogar, ihren Wohnsitz komplett nach Namibia zu verlegen. „Das ist aber keine Entscheidung, die man von heute auf morgen trifft“, weiß die Haanerin.

(fhi)