Analyse Haan ist längst noch nicht barrierefrei

Haan · Der Behindertenbeirat zieht für 2016 Bilanz:Ortsbesichtigungen ergaben: Bordsteine sind zu hoch, Orientierungen fehlen, Autos parken Gassen für Rollstuhlfahrer zu.

 Gaby Bongard prüft das Gehwegspflaster. Im Vordergrund gut zu sehen: Noppensteine, die Sehbehinderten zur Orientierung dienen.

Gaby Bongard prüft das Gehwegspflaster. Im Vordergrund gut zu sehen: Noppensteine, die Sehbehinderten zur Orientierung dienen.

Foto: Ralph Matzerath

Aus Sicht des ehrenamtlichen Behindertenbeirats muss noch viel getan werden, um Haan zu einer behindertenfreundlichen Stadt zu machen. Das legt ein Abschlussbericht nahe, den Gaby Bongard, Werner Joormann und Dieter Smolka jetzt vorlegten. Ihm zufolge gibt es vor allem im Bereich Barrierefreiheit weiterhin Handlungsbedarf.

Wie viele Behinderte leben in Haan? Das Amt für Menschen mit Behinderungen im Kreis Mettmann teilt die Zahl nach dem Grad der Behinderung (GdB) auf. Diese reicht im Grundsatz von 20 bis 100. Ab einem Grad von 50 Prozent gelten Menschen als schwerbehindert und bekommen einen entsprechenden Ausweis. In Haan gelten laut diesem Amt aktuell insgesamt 6523 Menschen als behindert. Diese Zahl ergibt sich aus den behördlich registrierten Betroffenen. Aus Sicht des Behindertenbeirats kommen rund 500 hinzu, die (noch) keinen Antrag gestellt haben.

Welchen Grad der Behinderung haben diese Menschen? 1689 Menschen weisen einen GdB von bis zu 50 auf. Weitere 4834 Menschen haben einen GdB von 50 und mehr.

Wie ist die Altersstruktur der Behinderten in Haan? Nach Angaben des Amts für Menschen mit Behinderungen Mettmann gibt es elf behinderte Kinder im Alter von null bis sechs Jahren. Eines dieser Kinder ist blind. In der Altersgruppe der Sieben- bis 18-Jährigen sind 60 Prozent betroffen. Einer dieser Jugendlichen ist blind. Als schwerbehindert sind in Haan außerdem 2066 Menschen von 19 bis 65 Jahren registriert. Sechs davon sind blind. Und mit 2697 Betroffenen macht die Altersgruppe der über 65-Jährigen den größten Anteil an den Schwerbehinderten aus. 17 davon sind blind.

Wie ist die Tendenz? Nach Beobachtungen des Behindertenbeirats ist die Gesamtzahl der Behinderten in Haan in etwa gleich bleibend. Allerdings steige die Zahl Betroffener mit einem GdB von unter 50 leicht an. Einen Grund für diese nicht signifikante Steigerung vermag der Beirat nicht zu erkennen.

Welchen Problemlagen widmet sich der Behindertenbeirat? Neu ist die Problematik behinderter Flüchtlinge. Dieter Smolka berichtet von der fast sechs Jahre alten Tochter einer Flüchtlingsfamilie aus Syrien. Sie leidet unter der Glasknochenkrankheit und gilt als 100 Prozent schwerbehindert. Sie ist auf den Rollstuhl angewiesen - und nicht nur das: Der Behindertenbeirat half der Familie, ein kostenloses Bus- und Bahnticket zu organisieren, mit dem eine Betreuungsperson das Mädchen begleiten kann. Dass dies auf Antrag möglich ist, wusste die Familie nicht. Das zeigt: Derlei Beratungsleistungen des Behindertenbeirats sind in Zukunft noch gefragter, mutmaßt Smolka.

Ein weiteres wichtiges Thema für den Behindertenbeirat ist nach wie vor die Barrierefreiheit. Hier unternahmen die drei ehrenamtlichen Mitglieder mehrere Ortsbesichtigungen. Immer noch stellen der Bahnhof Gruiten sowie der Zugang zur S8, der aufgrund des Höhenunterschieds von Bahnsteig und Bahn nicht ohne Rampe zu bewältigen ist, ein Problem dar. Auch viele Straßen in Haan seien noch nicht barrierefrei. So gibt es immer noch viel zu hohe Bordsteine, die an Kreuzungen und Überwegen zumindest auf zwei Zentimeter abgesenkt werden sollten, wünscht sich der Behindertenbeirat. Außerdem sollten die Empfehlungen des Landesamtes Straßen NRW für sehbehinderte Menschen zum Standard werden. Steine mit Rillen und Noppen bieten Sehbehinderten in diesem Zusammenhang eine wichtige Orientierung. Auch Querungshilfen und Zebrastreifen könnten "zur Verkehrssicherheit vermehrt beitragen".

Darüber hinaus "muss bei den Ampelanlagen die Funktionsfähigkeit der taktilen Vibration für sehbehinderte Menschen geprüft und verbessert werden", fordert der Behindertenbeirat. Auch die Mitbürger können helfen: "Für Rollstuhlfahrer sind die Durchfahrtmöglichkeiten auf Bürgersteigen teilweise durch parkende Autos blockiert", konstatieren Bongard, Joormann und Smolka. Deutliche Markierungen würden hier Abhilfe schaffen.

Was hat der Behindertenbeirat noch vor? Fortgesetzt werden die Beratungen sowie die Mitarbeit beim Goldenen Telefon und der Flüchtlingshilfe. Als Erfolg erwies sich die Aktion "Mittendrin und voll dabei" vom 10. Juli vergangenen Jahres. Menschen mit Behinderung gestalteten einen Tag im Rahmen des Haaner Sommers. Die positive Resonanz bestärkt die Veranstalter darin, den Tag in 2017 zu wiederholen.

(arue)
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