Haan Birken zupfen für Augentrost und Insekten

Haan · Obwohl es noch recht früh am Morgen ist, liegt bereits eine drückende Hitze über dem Naturschutzgebiet „Grube 7“. Ein von lila blühendem Oregano bewachsene Fläche wird von summenden Insekten bevölkert. Am Ende dieser abschüssigen Fläche sind zehn Leute damit beschäftigt, jungen Birken und Kiefern mit Hacken und bloßer körperlicher Kraft zu Leibe zu rücken.

 Hans-Joachim Friebe ist ehrenamtlicher Naturschutzwart und hilft  regelmäßig bei Pflegemaßnahmen in Grube 7 mit.

Hans-Joachim Friebe ist ehrenamtlicher Naturschutzwart und hilft  regelmäßig bei Pflegemaßnahmen in Grube 7 mit.

Foto: Köhlen, Stephan (teph)

Ein Außenstehender könnte auf den Gedanken kommen, dass hier Vandalen am Werk sind, die die Natur zerstören wollen. Doch das genaue Gegenteil ist der Fall. Es sind Mitglieder der AGNU – der AG Natur und Umwelt Haan, sowie interessierte Bürger, die sich auf den Aufruf zum „Birken zupfen“ gemeldet haben. Seit vielen Jahren betreut die AGNU bereits das Gelände des ehemaligen Kalksteinbruchs. Ihr Anliegen: die Trockenwiesen zu erhalten. Deshalb ist das Ausreißen der nachwachsenden Birken und Kiefern notwendig. „Wenn wir hier nichts machen würden, hätten wir in Kürze nichts als einen Birkenwald“, erklärt Sven M. Kübler. „Und danach würde es zu einem Buchenwald werden.“

Zwar sind Wälder durchaus etwas Positives und die AGNU setzt sich auch für nachhaltige und ökologisch sinnvolle Gestaltung von Wäldern ein. Aber hier muss dem Baumwuchs ein Riegel vorgeschoben werden. „Solche Flächen sind äußerst rar geworden“, erklärt Naturschutzwart Hans-Joachim Friebe, der dafür sorgen möchte, dass für die folgenden Generationen diese Artenvielfalt der Trocken- und Magerwiesen erhalten bleibt. „Hier wachsen 320 Pflanzenarten“, sagt er. Darunter der Augentrost, Tausendgüldenkraut und die Rheinische Flockenblume. „Das sind alles Pflanzen, die auf die Trockenwiese angewiesen sind“, weiß Friebe.

Birken würden ihnen die Sonne nehmen und damit nicht nur das notwendige Licht, sondern auch die benötigte Wärme, die durch die direkte Sonneneinstrahlung gewährleistet ist. In der Natur hängt alles mit allem zusammen und so beeinflusst eins das andere. Würden diese Trocken- und Magerwiesen verschwinden, würden bald die vielen Insekten verschwinden, die auf die Blühpflanzen angewiesen sind.

„Vor allem die Hautflügler“, so Friebe, „also alle, die Flügel haben, die so dünn sind wie Haut.“ Dazu gehören auch die Wildbienen. Vier Heuschreckenarten leben hier ebenfalls, in den von der AGNU angelegten Teichen befindet sich die Heimat verschiedener Kröten. Auch der Uhu braucht Freiflächen für die Jagd. Deshalb müssen Naturschützer Bäume ausreißen.

Und das ist gar nicht so einfach. „Die Birken kämpfen um ihr Leben“, sagt Sven Kübler scherzend. Die meisten Kiefern lassen sich problemlos auszupfen, aber die Birken machen es den Naturschützern schwer. „Es ist schon mühselig das Ganze“, sagt Jürgen Jäger, „aber mit der Motorsäge absägen hilft nicht.“ Denn die Birken treiben dann noch viel intensiver wieder aus.

Jürgen Jäger ist Hobby-Botaniker. „Mein Hauptinteresse sind heimische Orchideen.“ Da in der Grube 7 etliche davon zu finden sind, hat er sich 2017 der AGNU angeschlossen. Hans Friebe schwingt die Hacke, treibt sie in die Erde und durchtrennt die Wurzel unterhalb der Hauptwurzel. Dann reißt er die Birke heraus. „Die schlägt nicht mehr aus“, ist er sicher. „Wir wissen, was das für eine Arbeit ist, aber es lohnt sich.“ Seit 1997 ist Grube 7 Naturschutzgebiet. Eine Bestandsaufnahme 1992 ergab eine Besiedelung mit 340 Pflanzenarten, sieben Amphibienarten, 122 Schmetterlingsarten, 63 Vogelarten, sieben Heuschreckenarten und neun Libellenarten.

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