Haan Gäste besuchen Ort von Bomber-Absturz

Haan · Exakt 70 Jahre nach dem Absturz eines Bombers in Haan haben sich jetzt sechs Angehörige den Ort des Unglücks angesehen.

 Der Haaner Manfred Kohl (links) hat die Geschichte der Nacht recherchiert. Jetzt begleitete er die Angehörigen der damaligen Besatzung.

Der Haaner Manfred Kohl (links) hat die Geschichte der Nacht recherchiert. Jetzt begleitete er die Angehörigen der damaligen Besatzung.

Foto: Ralph Matzerath

Ein Windstoß raschelt mit den Blättern. Dann ist es still auf der Steinstraße, um 20.32 Uhr. Acht Teelichter stehen in einer Mauerecke; zwei von ihnen gehen sofort wieder aus. Die Gäste schlucken: Exakt 70 Jahre nach dem Absturz eines britischen Halifax-Bombers an dieser Stelle wollen drei Briten und drei Kanadier ihrer Verwandten gedenken. Zu der siebenköpfigen Besatzung der Maschine mit der Kennzeichnung NP 709 gehörten der Bordschütze John Mclea (19) und Funker Bob Edegell (22). Überlebt hat diesen Abend des 1. November 1944 niemand. Das achte Teelicht steht für eine Haanerin, von der die Verwandten der Bomberbesatzung nur den Vornamen kennen: Anna. Sie kam durch die Bomber-Trümmer zu Tode.

Im Hintergrund brummt ein Flugzeug. William Oxborrow spricht die sieben Namen der Besatzungsmitglieder. Und Verszeilen, die mit einem Versprechen enden: "We will remember them." "Wir werden uns an sie erinnern." Wichtig ist ihnen, den fünf Neffen von John Mclea und Bob Edegell und Bernard Oxborrow, dem Vater von Michael und William, dass dies ein Gedenken an alle Opfer jener Nacht ist. Sie wollen keine Unterschiede machen.

"Uns war wichtig, dass wir nach 70 Jahren genau zum Absturzzeitpunkt hier an der Stelle stehen und uns vorstellen, was passiert ist", sagt der Kanadier John Mclenaghen, Neffe von John Mclea. Den Vornamen hat er nach seinem Onkel erhalten. Dessen Bild und Orden hingen zwischen den anderen Fotos der Familie. Doch wenn er nach dem jungen Soldaten fragte, wurde seine Mutter einsilbig. "Der ist im Krieg in Deutschland gefallen", erklärte die Schwester des Bordschützen Mclea ihrem Sohn knapp. Das hat John nicht mehr in Ruhe gelassen.

Er recherchierte im Internet, besuchte Veteranentreffen und Museen und setzte die Geschichte Stück für Stück zusammen. Am 1. November 1944 warf die zu einem alliierten Bomberverband gehörende Halifax NP 709 Bomben über Oberhausen ab. Für die meisten an Bord war es erst der zweite Feindeinsatz. Auf dem Rückflug mit Kurs Richtung Köln wurde der Bomber südwestlich von Duisburg von deutschen Nachtjägern getroffen. Über der Steinstraße ging die Maschine zu Boden.

Die Haaner Lauflegende Werner Beecker (82) hat den Absturz als Zwölfjähriger miterlebt: "Ich sah einen Feuerball am Nachthimmel und holte meinen Vater. Dann rauschte der Bomber in etwa 100 Metern Höhe über unser Haus hinweg und krachte in die Steinstraße." Von der Wucht der Explosion wurden Vater und Sohn Beecker hochgehoben, obwohl sie sich in einen Straßengraben geworfen hatten.

Dann kamen über einen Feldweg zwei alliierte Soldaten auf sie zu. "Die hatten vermutlich aus dem brennenden Flugzeug abspringen können." Eine Patrouille der SS habe die Briten gestoppt; angeblich konnte einer fliehen. Am 2. November wurden die Leichname von sechs Besatzungsmitgliedern durch Pastor Hess auf dem Friedhof an der Alleestraße beerdigt. Nach Kriegsende ließ die Royal Air Force die Toten exhumieren und nach Rheinberg überführen.

All das erzählt Beecker den Gästen, die vom Haaner Manfred Kohl seit Jahren begleitet werden. Nachdenklich gehen sie durch die Steinstraße. Bob Oxborrow, ein Neffe des Bordfunkers Edegell, schüttelt den Kopf: "Vor 70 Jahren war hier das Chaos. Und heute ist es eine friedliche Wohnstraße mit vielen Familien." Welche Veränderung innerhalb von 70 Jahren!

(dne)
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