Parteienrechtler Dr. Sebastian Roßner „Diese Wahl wird die Gewichte verschieben“

Haan · Der Parteienrechtler Dr. Sebastian Roßner sieht die Jüngeren coronabedingt bei den Kommunalwahlen in Hilden und Haan im Herbst im Vorteil. Von einer Verschiebung des Termins rät der Experte ab.

 Parteienrechtler und Rechtsanwalt Dr. Sebastian Roßner.

Parteienrechtler und Rechtsanwalt Dr. Sebastian Roßner.

Foto: LLR Rechtsanwälte, Köln

Nicht nur in Haan läuft in diesen Tagen die Diskussion, ob man die Kommunalwahlen am 13. September in NRW wegen der Corona-Krise nicht besser verschieben sollte. Die Experten sind sich nicht einig, die Parteien erst recht nicht. Wofür plädieren Sie?

Roßner Das ist eine komplexe Frage, weil sie nicht nur jede Menge rechtliche Aspekte aufwirft, sondern vor allem große praktische Probleme. Ich meine jedoch, um es vorweg zu nehmen, dass eine Verschiebung der Wahl noch problematischer wäre, als die Durchführung mit den coronabedingten Einschränkungen.

Was wäre denn so schlimm an einem späteren Wahltermin?

Roßner Die jetzige Wahlperiode war mit sechs Jahren wegen des Systemwechsels, die Räte und die Bürgermeister wieder gleichzeitig zu wählen, ohnehin schon sehr lang, denn eigentlich gilt die Begrenzung auf fünf Jahre. Ich fürchte, wenn das alles jetzt noch weiter nach hinten verlegt wird, könnte die demokratische Einbuße durch eine Verschiebung letztlich größer sein, als wenn man beispielsweise in diesem besonderen Fall einmal Abstriche bei der Transparenz der Kandidatenwahl machte.

Also ein digitaler Parteitag, wie ihn die Grünen in NRW Anfang Mai veranstalten wollen, als Vorbild auch für die Aufstellungsversammlungen für die Kommunalwahl-Kandidaten?

Roßner Nein. Das mag bei einem Parteitag auf Landesebene mit Delegierten ja funktionieren, für Haan und die meisten anderen Kommunen, in denen jetzt Kandidaten für die Kommunalwahl aufgestellt werden sollen, halte ich das aber für sehr schwierig. Solche Versammlungen sind rechtlich betrachtet Wahlvorbereitungshandlungen. Sie bilden gewissermaßen die erste Stufe der staatlichen Wahlen. Eine digitale Veranstaltung würde vor allem viele ältere Menschen ausgrenzen. Daher spricht einiges dafür, dass hier die verfassungsrechtlichen Wahlgrundsätze gelten und damit auch die Öffentlichkeit der Wahl.

Genau da stoßen die Parteien bei der Umsetzung aber jetzt an Grenzen.

Roßner Richtig. Jetzt kommen die praktischen Probleme. Das beginnt schon bei der Auswahl des Veranstaltungsraums. 1,5 Meter Abstand – das geht insbesondere bei den großen Parteien nur noch in Sälen oder eben wie etwa in Haan in der Schulaula, . . .

. . . die die Stadt zwar zur Verfügung stellt, aber in der ja alle einen Termin belegen wollen . . .

Roßner . . . und damit hätten wir das nächste praktische Problem. Schließlich müssen bis zum 16. Juli alle Unterlagen und Kandidatenlisten beim Wahlleiter abgegeben worden sein. Je später ich meine Kandidaten aufstelle, weil ich keinen frühen Termin mehr für die Anmietung des Veranstaltungssaals kommen habe, desto weniger Zeit bleibt mir, formale Fehler, die dabei eventuell gemacht worden sind, noch zu korrigieren. Große Parteien können einiges noch kompensieren, weil sie vom Wahlplakat bis zum Leitfaden für die Aufstellungsversammlung Material ihrer Bundespartei zur Verfügung gestellt bekommen, das ihnen bei der Vorbereitung hilft. Manche kleinen Parteien, vor allem aber die Wählergemeinschaften, können sich nur auf das Engagement ihrer ehrenamtlichen Mitglieder verlassen.

Und auch die müssen eine solche Veranstaltung ja erst einmal besuchen . . .

Roßner Ich gehe davon aus, dass wir bei dieser Wahl eine deutliche Verschiebung der Gewichte hin zu den Jüngeren erleben werden, weil viele ältere Parteimitglieder aus Angst vor Ansteckung zu Hause bleiben werden.

 Hygiene und Abstand: bei der Stimmabgabe selbst wohl eher nicht das Problem, bei der Kandidatenaufstellung allerdings schon.

Hygiene und Abstand: bei der Stimmabgabe selbst wohl eher nicht das Problem, bei der Kandidatenaufstellung allerdings schon.

Foto: Blazy, Achim (abz)

Trotz allem bleiben Sie beim bisherigen Wahltermin 13. September?

Roßner Ja, es sei denn, die Corona-Krise verschärft sich noch weiter. Wahlen sind eine der wichtigsten Bausteine unserer Demokratie. Die Wähler haben ihre Stimme bei der letzten Kommunalwahl schließlich nur auf eine bestimmte Zeit hin abgegeben. Dieser Fünf-Jahres-Zeitraum ist durch die Zusammenlegung von Rats -und Bürgermeisterwahl schon überschritten und kann meiner Meinung nach nur dann verlängert werden, wenn es überhaupt keine andere Möglichkeit mehr gibt, den 13. September zu halten. So dramatisch ist die Lage zurzeit aber nicht.

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