Dialog mit den Bürgern Das Wahlkampf-Getöse hat längst begonnen

Haan · Zehn Monate vor der Kommunalwahl ist ein heftiger Streit um die Dialogstände der Bürgermeisterin in der Innenstadt entbrannt. „Wahlkampf“, schimpfen die einen – „Bürgerbeteiligung“, kontern die anderen. Ein Experte für Medien- und Sozialwissenschaft analysiert die Lage.

 Infoveranstaltung Haushalt 2019: Doris Abel (Amt für Finanzmanagement) informiert über den Haushalt 2019

Infoveranstaltung Haushalt 2019: Doris Abel (Amt für Finanzmanagement) informiert über den Haushalt 2019

Foto: Köhlen, Stephan (teph)

Info-Veranstaltung der Stadt Haan auf dem Markt: Doris Abel (inzwischen Kämmerin), informiert zum Thema Haushalt und erläutert den Bürgern das komplizierte Zahlenwerk. Das Interesse ist groß. „Haan, Kultur, Markt“ – so nennt sich die Veranstaltungsreihe, bei der die Verwaltung im Sommer diesen Jahres an jedem zweiten Samstag im Monat zu aktuellen Themen informiert.

Um diese Dialogstände ist ein heftiger Streit ausgebrochen: „Bürgerbeteiligung“ nennt Stadtchefin Bettina Warnecke die Aktionen, die auch mit Musik begleitet werden. „Wahlkampf auf Kosten der Stadtkasse“, schimpfen politische Gegner. Warnecke solle solche Auftritte  in den kommenden Monaten doch lieber am Stand der CDU absolvieren, für die sie schließlich bei der Bürgermeisterwahl antrete. Denn zehn Monate vor der Abstimmung habe der Wahlkampf quasi schon begonnen.

Am weitesten in der Kritik geht die Wählervereinigung Lebenswertes Haan (WLH). Deren Fraktionsvorsitzende Meike Lukat will den städtischen Dialogständen am liebsten den Geldhahn zudrehen,.Die Mittel von 3200 Euro für Künstlerhonorare sollten mit einem Sperrvermerk versehen werden, beantragt sie in der letzten Sitzung des Stadtrats in diesem Jahr. Der Antrag wird mit großer Mehrheit abgelehnt. Abgeschlossen ist das Thema damit jedoch noch nicht, die Debatte wird auf Facebook im Internet fortgeführt.. Die Reaktion kommt prompt: Die WLH wolle der Bürgermeisterin „den Mund verbieten“, ereifert sich Bernd Stracke. Der Vorsitzende der SPD-Fraktion im Haaner Stadtrat bescheinigt der  WLH in einer öffentlichen Erklärung „erhebliche Schwierigkeiten, Mehrheiten jenseits der eigenen Meinung im Rat zu akzeptieren“. Dies sei umso bemerkenswerter, „da Ihre Fraktion nur über drei Mandate verfügt“.

Ein paar Wochen zuvor hat bereits die CDU scharf geschossen. Sie prangert an, Lukat und ihre Fraktion trügen an jeder neuen Kündigung im Rathaus eine Mitverantwortung, weil sie gefordert hatten, die Stadt solle sämtliche Überstunden und Minus-Stunden ihrer Projekt-Ingenieure im Bereich Gebäudewirtschaft dokumentieren. Damit will die Wählerinitiative nach eigener Aussage unter anderem dem hohen Krankenstand (18 Prozent ) innerhalb des Technischen Dezernats auf die Spur kommen. Für die CDU ist das eine dienstrechtliche Angelegenheit, mit der der Stadtrat nichts zu tun hat. Dennoch wird dort heftig gestritten.

Auch zu den Dialogständen beziehen die Christdemokraten Stellung. Wörtlich heißt es: „Die CDU-Ratsfraktion begrüßt es, dass die Verwaltung, an der Spitze Bürgermeisterin Warnecke, die Haaner Bevölkerung über wichtige Projekte informiert.“ Warum nun ausgerechnet die WLH, die sich sonst doch so für Transparenz einsetze, daran etwas auszusetzen habe, erschließe sich nicht..

Wer hat Recht? Eine klare Haltung zum Thema hat der Kölner Medien- und Sozialwissenschaftler Frank Überall. Der Professor vertritt den Standpunkt: „Grundsätzlich ist ein solch bürgernahes Informationsinstrument zu begrüßen.“ Einen gewissen Geschmack bekomme das ganze jedoch tatsächlich dadurch, dass erst in diesem Jahr damit begonnen worden sei: „Und je näher der Wahltermin rückt, desto mehr drängt sich der Verdacht auf, dass Bürger-Dialog und Wahlkampf vermengt werden könnten.“ Überalls Hinweis: „Wenn es der Bürgermeisterin ernst mit den Dialoständen ist, könnte sie die Ratsfraktionen hinzubitten – bei aller Unterschiedlichkeit würde so auch die Bewertung des jeweiligen Themas klar.“ Erst dann laufe Kritik am Projekt ins Leere.

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