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Grevenbroich Wo sind denn hier die Jecken?

Grevenbroich · Keine Umzüge, keine Sitzungen, keine Kostümbälle: Die Grevenbroicher Innenstadt ist während der tollen Tage eine Karnevals-Diaspora. Selbst hartnäckige "Missionare" konnten das bisher nicht ändern.

 Mehr Jecke in die Stadt, fordert Simone Pickel. Die gut gelaunte Grevenbroicherin stand im vergangenen Jahr mit ihrem Mann Andreas als Königspaar im Mittelpunkt des großen Bürgerschützenfestes. Beide waren auch schon Prinzenpaar — in Orken.

Mehr Jecke in die Stadt, fordert Simone Pickel. Die gut gelaunte Grevenbroicherin stand im vergangenen Jahr mit ihrem Mann Andreas als Königspaar im Mittelpunkt des großen Bürgerschützenfestes. Beide waren auch schon Prinzenpaar — in Orken.

Foto: M. Reuter

Reiner Landsch ist so etwas wie ein Missionar. Der Präsident der Orkener "Grielächer" hat mehrfach versucht, den Karneval in die Innenstadt zu holen — vergeblich. "Das hat wohl keinen Zweck", weiß er heute. Damals, in den 80er Jahren, war Landsch optimistischer. Als Präsident der Föderation Europäischer Narren (FEN) trommelte er regelmäßig 1700 Jecken aus Deutschland, Holland, Belgien und Frankreich für Umzüge durch die City zusammen. "Wir hatten viele Zuschauer. Doch bei den Bewohnern der Innenstadt kam das Spektakel nicht an", erklärt er.

Fünf Jahre lang hielt Landsch durch. Doch die erhoffte Initialzündung, die vom Europa-Umzug ausgehen sollte, traf nicht ein: "Ich hatte damit gerechnet, dass sich in der Innenstadt ein Karnevalsverein gründen würde — Fehlanzeige." Dafür kamen statt der Grevenbroicher aber die Orkener auf den Geschmack. Nach langjähriger Abstinenz beschlossen sie, wieder jecke Umzüge zu veranstalten.

Sind die Innenstädter etwa Karnevalsmuffel? "Das wird wohl so sein", vermutet Ober-Jeck Landsch. Denn auch weitere Versuche, die der Orkener in den vergangenen Jahren unternahm, schlugen regelmäßig fehl. Heute weiß er: "Die Innenstadt ist eine karnevalistische Diaspora. Die Menschen dort nehmen einfach nicht an der fünften Jahreszeit teil — schade drum."

Das meint auch Lothar Zimmermann. Der Vize-Präsident des Bürgerschützenvereins will sich an den Karneval nicht mehr so recht herantrauen. Vor einigen Jahren war das anders: Da ließen die Schützen gemeinsam mit dem TuS, dem Kanu- und dem Turnklub eine Tradition der 50er und 60er Jahre wieder aufleben: die Karnevalsfete in allen Sälen des Alten Schlosses. "Das ging eine Zeit lang gut. Doch ab 2008 haben wir die Hände davon gelassen. Die Besucher blieben aus — und damit standen wir vor einem finanziellen Problem."

Woran das mangelnde Interesse am Karneval liegt? Lothar Zimmermann zuckt mit den Schultern: "Wahrscheinlich, weil die Innenstadt anders ist als die Dörfer. Hier gibt es keinen richtigen Mittelpunkt. Da fehlt etwas, wo die Leute sagen können: Do jommer hin." Historisch gesehen, war das nicht immer so. Im ausgehenden 19. Jahrhundert gab es eine Karnevalsgesellschaft, die mit Sitzungen und Bällen für Stimmung sorgte: die "Erftgrafen". In den 50er Jahren löste sich der Verein auf, weil immer mehr Säle in der City geschlossen wurden. Fortan marschierten "Grafen" als Grenadierzug im Schützenregiment mit. Heute führt Norbert Clever die Ex-Karnevalisten an — und er schließt aus, dass sie die alten Zeiten noch einmal aufleben lassen werden: "Die Rahmenbedingungen haben sich seit den 50ern nicht geändert, es gibt auch heute kaum Räume für Veranstaltungen."

Schade, meint Robert Jordan. Der Mann, der fürs Stadtmarketing zuständig ist, vermisst einen Karnevalsverein: "Das wäre eine Bereicherung — auch wenn es nur um einige Tage im Jahr geht." Ein Auftrag für "Missionar" Landsch? "Warum nicht?", fragt der Orkener. Er will's noch mal versuchen.

(RP)
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