Windrad-Havarie in Grevenbroich Beschädigtes Rotorblatt stürzt zu Boden

Update | Grevenbroich · Retter haben erneut die Frimmersdorfer Höhe angesteuert: Das vor einer Woche abgeknickte Rotorblatt ist am Freitag abgestürzt – diesmal absichtlich herbeigeführt. Dabei nahm der Mast Schaden. Das Areal soll nun auf CFK-Fasern untersucht werden.

Windrad „Vertical Sky“ in Grevenbroich ist erneut havariert
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Windrad „Vertical Sky“ in Grevenbroich ist erneut havariert

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Foto: Kandzorra, Christian

Sechs Tage nach der Havarie des Prototyps für das neuartige Windrad „Vertical Sky“ auf der Frimmersdorfer Höhe sind Rettungskräfte am Freitag erneut zum Windtestfeld ausgerückt. Anwohner hatten den Notruf gewählt: Aus der Ferne konnten sie beobachten, wie das 54 Meter lange und 22 Tonnen schwere Rotorblatt, das seit Montag am „seidenen Faden“ hing, im Wind zu baumeln begann, Trümmerteile herunterstürzten und das Bauteil schließlich in Gänze abbrach. Es stürzte unmittelbar am Mast des Windrads zu Boden. Von dem Rotorblatt blieb nur ein großer Haufen Schrott übrig.

Die Leitstelle der Feuerwehr setzte mit dem Stichwort „Einsturz“ gleich mehrere Einheiten in Marsch. Sie steuerten die Anlage auf dem Windtestfeld gezielt an – den Weg kannten sie noch von vergangenem Samstag: Da hatte einer der drei Arme des waagerecht montierten Rotorsterns im Sturm nachgegeben. In der Folge knickte der Arm mitsamt des am Ende montierten Rotorblatts ab. Das Blatt verfing sich im Gerippe des Windrad-Masts. Wie der Schweizer Hersteller Agile Windpower mitteilte, waren Schäden am Rotorarm bekannt. Um die Ursache für die Risse, die Ende 2022 dort festgestellt worden waren, genauer untersuchen zu können, sollte der obere Teil der Anlage abgebaut werden.

Am Montag war das Rotorblatt schließlich aus dem Mast herausgebrochen. Seitdem hing es nur noch am Rotorarm, bis es diesen Freitag abstürzte. Laut Feuerwehr wurde niemand verletzt. Wie ein Sprecher erklärt, wurden die Retter von der Bauleitung in Empfang genommen – und beruhigt: Der Absturz des Rotorblatts sei gezielt herbeigeführt worden. Laurenz Zellweger, Sprecher von Agile Windpower, bestätigt das: „Wir haben verschiedene Varianten geprüft, um das geknickte Blatt zurückzubauen. Die vorherrschenden Windverhältnisse haben uns sehr kurzfristig die Möglichkeit eröffnet, das Blatt mittels Zugseil und Windkraft zu demontieren, was dann auch funktioniert hat.“

In einem Amateurvideo ist zu sehen, wie sich der Rotorstern langsam dreht. Schließlich bröckeln Teile aus dem Bereich der schadhaften Stelle, das Rotorblatt gerät in Schwingung – und löst sich schließlich komplett. „Nun sind aber die Teile des Rotorblatts auch in den Turm gefallen, was diesen in Mitleidenschaft gezogen hat. Somit ist das Gelände nach wie vor nicht sicher und deshalb abgesperrt“, sagt Zellweger. Die weitere Demontage sei unter neuen Voraussetzungen anzugehen. Es wird an einer Lösung gearbeitet.

Wie es auf Dauer mit dem Vertikal-Rotor weitergeht, ist unklar. Agile Windpower hatte zuletzt mitgeteilt, weiter an dem Projekt festhalten zu wollen. Gleichzeitig ließen die Schweizer offen, ob das Windrad auf der Frimmersdorfer Höhe wieder neu aufgebaut wird. Vor der jüngsten Havarie war das der Plan gewesen: Die Anlage sollte mit einem neuen Rotor zum dritten Mal aufgebaut werden.

Am Freitag blieben die Trümmerteile unterhalb des Prototyps zunächst unberührt. Die Tatsache, dass das Rotorblatt am Samstag und am Montag an mindestens zwei Stellen gebrochen ist und Teile zu Boden fielen, warf zwischenzeitlich auch die Frage nach einer möglichen Umweltbelastung auf. Das nun abgestürzte Rotorblatt besteht zum Teil aus kohlenstoff- oder carbonfaserverstärktem Kunststoff (CFK), der im Verdacht steht, negative Auswirkungen auf die Gesundheit zu haben. Das Landesinstitut für Arbeitsschutz NRW schreibt dazu, dass die bei einem „mechanischen Bearbeitungsvorgang entstehenden Partikel- und Faserstäube gefährliche Eigenschaften haben können“. Bislang gebe es jedoch keine gesicherten Erkenntnisse für krebserregende Eigenschaften von Kohlefasern.

Die Havarie des Windrads hat auch das Umweltamt des Rhein-Kreises Neuss zu einer Prüfung veranlasst. Das Problem: Bisher durften sich Mitarbeiter wegen der noch immer geltenden Sperrzone der Anlage nicht nähern. Ob sich Fasern inzwischen auf den umliegenden Feldern verteilt haben? „Nach Einschätzung des Kreis-Umweltamtes ist eine Verbreitung von Carbonfasern beim Bruch des Rotorblattes über größere Entfernungen unwahrscheinlich, soll im Rahmen der gutachterlichen Begleitung aber mit beurteilt werden“, sagt Kreis-Sprecher Benjamin Josephs auf Anfrage unserer Redaktion: Grundsätzlich bestehe eine Gefährdung durch CFK vor allem im Brandfall. „Bei der aktuellen Havarie ist ein Eintrag von Splittern und Stäuben in den Boden zu vermeiden. Falls Fremdstoffe bereits in den Boden eingetragen wurden, sind diese wieder zu entfernen“, sagt Josephs.

Auf Anfrage erklärt Laurenz Zellweger von Agile Windpower, dass zurzeit zur Beeinträchtigung umliegender Felder nichts gesagt werden könne. „Die größeren Teile sind aber alle gesichert worden.“

Im September 2022 war es im niedersächsischen Kreis Rotenburg zur Havarie eines „herkömmlichen“ Windrads des Herstellers General Electric gekommen, bei dem ein Rotorblatt abbrach. Wie die „Bremervörder Zeitung“ schreibt, verteilten sich Bruchstücke unter anderem aus CFK in einem Radius von bis zu 1800 Metern um das Windrad. Zeitweise sollen bis zu 50 Arbeiter damit beschäftigt gewesen sein, die Stücke aufzulesen.

Die Neurather Familie, die die Felder in Reichweite des Vertikal-Windrads bewirtschaftet, will sich auf Anfrage nicht äußern. Nach der Havarie 2020, bei dem ebenfalls ein Rotorblatt abgestürzt war, soll es aber keine großen Probleme mit Trümmerteilen auf den Feldern gegeben haben.

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