Rekultivierung im Revier Artenvielfalt braucht offene Flächen

Grevenbroich · Der Wevelinghovener Biologie-Professor Werner Kunz prangerte bei der Forschungsstelle Rekultivierung zu dichte Wälder, Wiesen und Blühstreifen an. Artenvielfalt gedeihe nur in lichten Wäldern und auf nährstoffarmen Flächen.

 Blühstreifen, wie sie Ernst-Henning Walther hier im Auftrag von RWW anlegt, bieten nur Artenvielfalt, wenn die Pflanzen nicht zu dicht beieinander stehen, wie Professor Werner Kunz betont.

Blühstreifen, wie sie Ernst-Henning Walther hier im Auftrag von RWW anlegt, bieten nur Artenvielfalt, wenn die Pflanzen nicht zu dicht beieinander stehen, wie Professor Werner Kunz betont.

Foto: Oliver Tripp/0liver Tripp 02273/69952

Mit verblüffenden Thesen und wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Artenschutz und vor allem zur Förderung der Artenvielfalt in der heimischen Region konfrontierte Biologieprofessor Werner Kunz aus Wevelinghoven die spürbar überraschten Vortragsbesucher auf Schloss Paffendorf. Die Forschungsstelle Rekultivierung hatte den Experten von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf zu ihrer Vortragsreihe „Biodiversität in Rekultivierungslandschaften“ eingeladen. Kunz stellte die provokante These auf: „Die Natur Natur sein zu lassen, ist kein Artenschutz.“

Denn dicht zugewachsene Wälder oder Wiesen, die ohne menschliches Regulieren entstehen, zerstörten die Artenvielfalt regelrecht, veranschaulichte er auch an etlichen Beispielen aus dem Nahbereich: So präsentierte er unter anderem, ein Foto vom völlig zugewachsenen Erftufer in Wevelinghoven, das bei ihm als Artenschützer „das wahre Grauen“ auslöse. Auch sieht der Biologe die von den Naturschutzverbänden so eifrig propagierte Anlage von Blühstreifen an Feldrändern eher differenziert: „Es ist zwar schön anzusehen, wenn da der Mohn wächst, aber die meisten Blühstreifen sind viel zu dicht“, beklagt Kunz.

 Der Biologie-Professor Werner Kunz aus Wevelinghoven.

Der Biologie-Professor Werner Kunz aus Wevelinghoven.

Foto: RWE

Ganz anders sei die Situation in aufgegebenen Tagebauflächen, wie etwa auf der Königshovener Höhe, wo quasi durch die menschliche Gestaltung auch Arten der Roten Liste wieder angesiedelt würden. Wichtigster Aspekt dabei: Artenvielfalt lässt sich laut des Biologen nur durch nicht zu dichte Bewaldung, also durch offene Flächen, erzielen. Denn die Arten, die überhaupt (noch) in Mitteleuropa vorkämen, seien allesamt „fremde Einwanderer“ aus dem Mittelmeerraum und aus dem Osten, dem heutigen Iran und Afghanistan. Der vormals große Artenreichtum sei in Mitteleuropa nämlich durch die Eiszeiten vollständig zerstört worden. „Deshalb gibt es bei uns auch keine endemische Arten mehr. Und wenn wir die Natur Natur sein lassen, dann gibt es einfach keine heimischen Arten, die sich in solchen Bereichen ansiedeln könnten“, verdeutlichte der Professor. Die „fremden Einwanderer“ benötigten aber warme Böden und lichtes Offenland, wie etwa diejenigen Schmetterlingsarten, die ihre Eier (sogar im Flug) nur auf Freiflächen ablegen könnten.

Doch der Biologe hatte auch Tipps, wie nicht nur in rekultiviertem „Neuland“ die Artenvielfalt wieder gefördert werden kann. Gegen die Stickstoff-Überdüngung aus Luft und Regen sei der Mensch mittlerweile  machtlos. Das Rad der Entwicklung lasse sich auch in der Landwirtschaft einfach nicht mehr zurückdrehen: „Wir müssen deshalb Wälder abholzen oder ausdünnen, mit technischen Mitteln nährstoffarme Böden und offene Flächen schaffen“, rät er auch privaten Gartenbesitzern, aber durchaus auch RWE selbst. Denn Kunz sprach sich auch deutlich gegen die Waldanpflanzungen in Garzweiler-Nord aus: „Feldvögel sind Kulissenflüchter, die kommen in solchen Wäldern nicht vor.“ Eine „Renaturierung“ mit dichtem Waldbestand diene deshalb nur den Tourismus- und Freizeitinteressen von Kommunen, eben keineswegs dem Artenschutz.

Provokant fordert der Biologe deshalb auch, ganz entgegen einer gängigen Auffassung aus den 70er- und 80er Jahren, die Hirsche, die Bäume beschädigen, eben nicht zu bejagen, sondern ganz bewusst ihr zerstörerisches Werk zur Ausdünnung der Wälder vollbringen zu lassen. Kunz zeigte allerdings auch Bilder von einer Artenschutz-Waldabholzung in Mecklenburg, bei der sogar Polizeischutz notwendig gewesen sei – weil Bürger gegen den vermeintlichen Naturfrevel protestierten.

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