Grevenbroich Vom Zwillingspaar zum Waisenhaus

Grevenbroich · Elsen Das erste Kapitel des Elsener Kinderheims beginnt traurig - mit dem Tod einer jungen Frau. Fünf Tage, nachdem die Zwillingsschwestern Sophie und Maria Wingen im Gustorfer Krankenhaus das Licht der Welt erblickt hatten, stirbt ihre Mutter am 9. Juni 1936 an den Folgen der Geburt. Vater Adam ist ratlos.

 Maria Krüger in der Kapelle von Haus Stephanus . Die 72 Jahre alte Elsenerin und ihre Zwillingsschwester Sophie waren die ersten Kinder, die an der Rheydter Straße aufgenommen wurden - damit begann die Geschichte des Elsener Kinderheims.

Maria Krüger in der Kapelle von Haus Stephanus . Die 72 Jahre alte Elsenerin und ihre Zwillingsschwester Sophie waren die ersten Kinder, die an der Rheydter Straße aufgenommen wurden - damit begann die Geschichte des Elsener Kinderheims.

Foto: NGZ-Online

Elsen Das erste Kapitel des Elsener Kinderheims beginnt traurig - mit dem Tod einer jungen Frau. Fünf Tage, nachdem die Zwillingsschwestern Sophie und Maria Wingen im Gustorfer Krankenhaus das Licht der Welt erblickt hatten, stirbt ihre Mutter am 9. Juni 1936 an den Folgen der Geburt. Vater Adam ist ratlos.

 Sonntagsausflug: Die Zwillinge Maria und Sophie Krüger kehrten in ihren ersten sechs Lebensjahren nur an den Wochenenden zum Vater zurück. NGZ-Repro: M. Reuter

Sonntagsausflug: Die Zwillinge Maria und Sophie Krüger kehrten in ihren ersten sechs Lebensjahren nur an den Wochenenden zum Vater zurück. NGZ-Repro: M. Reuter

Foto: NGZ-Online

Was soll mit den Babys geschehen? Selbst kann sich der Mann nicht um die Mädchen kümmern. Schließlich muss er als Schlosser im Erftwerk mit harter Arbeit sein Geld verdienen. In seiner Not klopft der Elsener an der Tür des Klosters an der Rheydter Straße. Dort öffnen ihm die Schwestern aus dem Franziskanerorden vom Heiligen Josef die Pforte.

Ob sich die Schwestern um die Wingen-Zwillinge kümmern würden? Vater Adam ist voller Hoffnung, als er vor der Klostertüre steht - und er wird nicht enttäuscht. "Damit schlug die Geburtsstunde unseres Kinderheims", erklärt Peter Pick, der Vorsitzende der Deutschordens Jugend- und Familienhilfe. Denn die Schwestern beschließen mehr oder weniger spontan, die beiden Mädchen in dieser außergewöhnlichen Notsituation aufzunehmen und sie an den Werktagen rund um die Uhr zu betreuen.

"Das war anfangs für die Ordensfrauen noch mit viel Improvisation verbunden", erzählt Pick. "Da es an geeigneten Räumen fehlte, mussten die Bettchen der Zwillinge zunächst in der Verwahrschule aufgestellt und am Morgen, wenn die anderen Kinder kamen, wieder herausgebracht werden."

Gestört hat es die Wingen-Zwillinge jedoch kaum - daran kann sich zumindest die heute 72-Jährige Maria Krüger, eines der beiden Mädchen, noch erinnern: "Wir hatten eine schöne Kindheit - uns hat es an nichts gefehlt." Nicht ganz unschuldig daran war Schwester Walburga Sauren, die sich liebevoll um die Kinder kümmerte und die bald von Sophie und Maria nur "die Mama" genannt wurde. "Wir kannten sie von klein auf - sie war unsere Ersatzmutter", berichtet Maria Krüger.

Sechs Jahre blieben die Mädchen in der Obhut der Franziskanerinnen, mit der Einschulung verließen sie das Kloster.

Das Elsener Kinderheim, das mit dem Einzu der Wingens sozusagen gegründet wurde, wuchs stetig. 1955 wurde der Spatenstich für ein neues Heim gesetzt. Als sich die Schwestern aus Nachwuchsmangel langsam aus Elsen zurückzogen, übernahm der Verein "Deutschordenskinderheim" - der Vorläufer der heutigen Deutschordens Jugend- und Familienhilfe - die Trägerschaft.

Dieser übernimmt mittlerweile umfangreiche soziale Aufgaben. Rund 100 Mitarbeiter betreuen unter anderem 130 Kinder, Jugendliche und Familien sowie 30 Erwachsene mit Behinderungen.

Und Maria Krüger? Die Elsenerin erinnert sich gerne an die Zeit im Kinderheim, sammelt heute noch sämtliche Zeitungsausschnitte über das Haus und seine Geschichte. Und das Grab von Schwester Walburga in Ägidienberg besucht die 72-Jährige so oft sie kann - und dann zündet sie eine Kerze am Grab der Frau an, die sie bis heute liebevoll "Mama" nennt.

Mehr lesen Sie am 24. Dezember in der Neuß-Grevenbroicher Zeitung.

(NGZ)
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