Grevenbroich Torf saniert die Gemeinde

Grevenbroich · Eine Karte aus dem Jahr 1793 beweist: Lange vor der Braunkohle wurde in Frimmersdorf und Neurath ein anderer Bodenschatz gewonnen – Torf. Der Rohstoff brachte, wie der Geschichtsforscher Dr. Peter Zenker weiß, Wohlstand in die Gemeinde.

 An der Erft bei Frimmersdorf wurde in großem Stil Torf als Brennmaterial abgebaut. Das zeigt diese Karte aus dem späten 18. Jahrhundert, hier mit in heutiger Zeit ergänzten Erklärungen.

An der Erft bei Frimmersdorf wurde in großem Stil Torf als Brennmaterial abgebaut. Das zeigt diese Karte aus dem späten 18. Jahrhundert, hier mit in heutiger Zeit ergänzten Erklärungen.

Foto: privat

Eine Karte aus dem Jahr 1793 beweist: Lange vor der Braunkohle wurde in Frimmersdorf und Neurath ein anderer Bodenschatz gewonnen — Torf. Der Rohstoff brachte, wie der Geschichtsforscher Dr. Peter Zenker weiß, Wohlstand in die Gemeinde.

Frimmersdorf Die historische Karte, die aus dem Besitz der Grevenbroicher Familie Pick stammt, wird heute im Stadtarchiv gehütet. Der Geschichtsforscher Dr. Peter Zenker hat auf dem kolorierten Plan aus dem 18. Jahrhundert eine Entdeckung gemacht: "Westlich von Frimmersdorf sind Bereiche eingetragen, die damals als Torfabbaugebiete ausgewiesen wurden." Die Besonderheit: Diese Areale decken sich mit dem Ort, an dem 1917 die Grube Walter aufgeschlossen wurde — der spätere Tagebau Garzweiler.

"Das zeigt, dass die Menschen hier schon vor der Braunkohle einen Bodenschatz abbauten, von dem die Region in hohem Maße profitierte. Große Armut wurde beseitigt und die Lebensqualität verbessert", erklärt Zenker. Torf wurde schon um 1600 in der Erftniederung abgebaut — aus einer Not heraus. Da die Bevölkerungszahl rapide gewachsen war, mussten weite Teile des Landes gerodet werden. "Die Menschen brauchten schließlich Holz, das mit der Zeit aber immer knapper wurde", berichtet Peter Zenker. Da die Bäume mehr und mehr aus dem Landschaftsbild verschwanden, wurde der Torf zu einer willkommenen Brennstoffalternative.

Die Gewinnung erfolgte aber zunächst planlos: "Wer in Bruchnähe lebte, grub sich von den Rändern aus in die unberührten Moore", schildert der Geschichtsfreund. Das änderte sich um 1700, als der Torfabbau reguliert wurde. Und das hatte Vorteile für die Gemeinde: "Nach dem Dreißigjährigen Krieg stand das damalige Amt Frimmersdorf vor einem großen Schuldenberg", berichtet Zenker. Zur Aufnahme des Geldes verpfändete die Gemeinde damals 26 Morgen ihres Bruchlandes gegen 175 Reichstaler. Um die Schulden abzutragen, wurden etwa acht Morgen aus der verpfändeten Fläche herausgetrennt und für den Torfabbau freigegeben. "Diese Rechnung ging auf. Schuldkapital und rückständige Zinsen konnten in kurzer Zeit aus dem Erlös des Torfverkaufs getilgt werden", erklärt der 70-Jährige.

Mit einem Schlag hatte damit der Torf die Gemeindefinanzen saniert. Und nicht nur das: Die findigen Frimmersdorfer machten mit dem Torf noch ein anderes Geschäft. Nachdem der Rohstoff die Wohnungen mit Wärme versorgt hatten, sammelten sie die übrig gebliebene Asche und deklarierten sie als ein hervorragendes Düngemittel. "Das wurde ,bis weit in die Lande' profitabel verkauft", weiß Zenker: "Ein klassisches Beispiel für das Prinzip vom doppelten Nutzen, heute würde es als ,dual use' bezeichnet."

Trotz des Wohlstands: Der Abbau war vom Frühjahr bis in den späten Herbst hinein eine echte Plackerei. Männer, Frauen und Kinder schufteten täglich von morgens um vier bis abends um sechs, um Torf mit dem Spaten zu stechen. "Wegen des beschwerlichen Hin- und Rückwegs ins Dorf blieb die ganze Mannschaft über eine ganze Woche im Abbaugebiet", berichtet Zenker.

Fast 300 Jahre später — im 20. Jahrhundert — vollzog sich eine ähnliche Entwicklung. Es wurde nicht mehr Torf abgebaut, sondern die darunter liegende Braunkohle, die einen höheren Heizwert hat. "Das Amt Frimmersdorf, zu dem auch Neurath zählte, profitierte aus der Gewerbesteuer ganz besonders vom Braunkohlenbergbau. Die Gemeinde war wohlhabend und vor allem die Bürger zogen daraus großen Nutzen — zum zweiten Mal", erklärt der Geschichtsfreund.

(RP)
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