Grevenbroich Taubenzüchter fürchten Greifvogel-Attacken

Grevenbroich · Brieftaubenzüchter sind in Sorge: Immer häufiger werden ihre Tiere von Greifvögeln getötet. "Die Ausmaße sind katastrophal", beklagt die Erfttaler-Reisevereinigung.

Grevenbroich: Taubenzüchter fürchten Greifvogel-Attacken
Foto: Berns Lothar

Wilhelm Dohmen hat diese Situation mehr als einmal erlebt. Da steht plötzlich ein erwachsener Mann vor ihm, der Tränen in den Augen hat, weil er um seine tote Brieftaube trauert. "Das geht einem nahe", sagt der Vorsitzende der Erfttaler-Reisevereinigung: "Wir Züchter reagieren da nicht anders als ein Hundefreund, dessen Liebling von einem Auto überfahren wurde." Mit dem Unterschied, dass die Tauben nicht auf irgendeiner Straße, sondern in der Luft ihr Leben verlieren. "Weil sie dort immer öfter von Greifvögeln geschlagen werden", beklagt der 76 Jahre alte Orkener.

Die 1908 gegründete Erfttaler-Reisevereinigung hat etwa 80 Mitglieder mit rund 50 Schlägen in Grevenbroich und Umgebung. Zwischen 300 und 400 Brieftauben, so schätzt der Vorsitzende, werden pro Saison von Wanderfalken, Habichten oder Sperbern getötet. "Ich selbst habe alleine in diesem Jahr schon 15 Vögel verloren - das waren richtig gute Tiere", beklagt Wilhelm Dohmen. Mit zunehmender Sorge würden die Züchter beobachten, dass von Jahr zu Jahr immer mehr ihrer Brieftauben den Greifvögeln zum Opfer fallen. "Das hat mittlerweile katastrophale Ausmaße angenommen", betont der Vorsitzende.

Einen Grund für diese Entwicklung sehen Dohmen und seine Mitstreiter im Umwelt- und Naturschutz. Weil immer mehr künstliche Brutplätze - etwa an Kraftwerkstürmen oder auf Braunkohlebaggern - geschaffen würden, hätten sich die Tiere schlagartig vermehrt. "Die Greifvogel-Population hat in unserer Region schon so stark zugenommen, dass wir uns schon von Oktober bis März eine Schlagsperre auferlegen", sagt der Orkener Züchter. "In dieser Zeit werden die Tauben nicht rausgelassen, weil die Gefahr einfach zu groß ist."

Die Klagen der Erfttaler-Reisevereinigung stehen im Einklang mit einer "Greifvogel-Petition", die im Juli von den deutschen Brieftauben-, Rassetauben- und Rassegeflügel-Verbänden an die EU-Kommission nach Brüssel verschickt wurde. Die gemeinsame Forderung: Es soll geprüft werden, ob die strenge Europäische Vogelschutzrichtlinie für Habichte, Sperber und Falken zumindest gelockert werden könne - "zugunsten der Kulturgüter Brieftaube, Rassetaube und Rassegeflügel", wie es heißt. Laut der drei Verbände, die sich auf von Forstfachleuten ermittelten Zahlen berufen, hat sich die Greifvogelpopulation in den vergangenen zehn Jahren vervierfacht. 2015 seien dadurch deutschlandweit nicht nur rund 970.000 Brieftauben, sondern auch 145.000 Stück Rassegeflügel und Rassetauben verloren gegangen. Die Forderung an die EU-Kommission: die "Schadgreifvögel" müssen reduziert werden.

Das unterstreicht auch Wilhelm Dohmen. "Wir wollen die Tiere nicht ausrotten, sondern eine vernünftige Population haben", meint der 76-Jährige. Für ihn heißt das: Keine künstlichen Brutplätze anlegen, keine Greife züchten und anschließend auswildern. "Die Tiere sollen in der Natur leben und sich dort natürlich vermehren", sagt er.

Norbert Wolf, der sich für den Vogelschutz in der Stadt einsetzt, wehrt die Behauptungen der Taubenzüchter ab. "In Grevenbroich werden keine künstlichen Greifvogelbrutplätze angelegt. Es gibt nur einen Wanderfalkenkasten, der 1999 am Kraftwerk aufgehängt wurde, als die Tiere noch vom Aussterben bedroht waren", sagt er. Zwar brüteten die Falken auch auf den Baggern und Absetzern im Tagebau, doch da ausschließlich in verlassenen Krähennestern. Brutplätze würden dort nicht angelegt.

"Klar, Greifvögel suchen nach einer Beute, die sie mit einem geringen Energieaufwand schlagen können - und dazu gehören unter anderem auch Brieftauben, die im Schlag aufgezogen werden und deren Sinn für Feindvermeidung nicht gerade ausgeprägt ist", sagt Norbert Wolf.

Als Umweltbeauftragter der Stadt sei er viel unterwegs und beobachte gerade in der Wettflug-Saison, dass viele Brieftauben völlig erschöpft an der Erft oder am Neurather See säßen, um dort zu trinken. "Diese Tiere werden sicher auch den Greifvögeln zugeschrieben, wenn sie nicht mehr nach Hause kommen", meint Wolf: "Und wenn sie im günstigsten Fall in ihren Heimatschlag zurückkehren sollten, kann man sich vorstellen, was dort mit solchen Nachzüglern passieren wird. . ."

(NGZ)
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