Grevenbroich Sternekoch schließt das Hotel "Zur Traube"

Grevenbroich · Grevenbroich hat seine feine Adresse verloren. Das Restaurant war weltweit bekannt. Was aus dem Haus von 1893 wird, ist noch ungewiss.

 Dieter L. Kaufmann hat die "Traube" geschlossen. Jahrzehntelang war das Hotel-Restaurant ein gutes Aushängeschild für die Stadt Grevenbroich.

Dieter L. Kaufmann hat die "Traube" geschlossen. Jahrzehntelang war das Hotel-Restaurant ein gutes Aushängeschild für die Stadt Grevenbroich.

Foto: L. Berns

Dieter L. Kaufmann und seine Frau Elvira haben den Namen Grevenbroich in alle Welt getragen. Ihr Restaurant "Zur Traube" stand jahrzehntelang für die klassische Gastronomie par excellence, der Gourmet-Tempel an der Bahnstraße zählte zu den ersten Adressen für Feinschmecker. Diese Ära ist zu Ende gegangen: Das Ehepaar Kaufmann hat die 1893 gebaute Traditions-Herberge geschlossen.

"Ich werde bald 77, meine Frau 75. Damit haben wir ein Alter erreicht, in dem wir unsere restlichen Jahre noch privat genießen möchten", begründet Dieter Kaufmann den nicht leicht gefallenen Schritt. Beide würden gerne das weltberühmte Hotel-Restaurant in die Hände eines Kollegen geben — doch: "Das ist nicht einfach", sagt Kaufmann, der im Vorjahr noch als Deutschlands ältester Sterne-Koch gefeiert wurde. Es habe zwar Bewerbungen gegeben, aber: "Daraus ist leider nichts geworden."

Vielleicht liegt es daran, dass viele nicht den Mut haben, in die großen Fußstapfen zu treten, mutmaßt der Spitzenkoch. Hinzu komme, dass es Umbrüche in der Gastronomie-Szene gegeben hat, die gewisse Risiken bergen.

"Das Ausgeh-Verhalten der Menschen hat sich geändert. Früher machten sich die Leute schick, um hier hochwertige Weine zu trinken. Heute trinken viele zu Hause einen guten Tropfen, weil das bequemer ist", schildert Dieter Kaufmann beispielhaft. So steht zurzeit noch nicht fest, wie einmal die Zukunft des Traditionshauses aussehen wird. Sollte es nicht mehr als Restaurant genutzt werden können, sei auch ein Umbau möglich — etwa für Großraumbüros oder Arztpraxen.

Schon als 17-Jähriger hatte Dieter Kaufmann den Wunsch, die "Traube" zu übernehmen, die in unmittelbarer Nachbarschaft seines Elternhauses stand. "Ich habe damals meiner Mutter gesagt: Ruf mich sofort an, wenn das Restaurant verkauft werden sollte", erinnert er sich. Das war lange bevor er seine Ausbildungen zum Konditor und Koch abschloss und seine Lehr- und Wanderjahre in halb Europa verbrachte. Als Kaufmann 1962 im legendären Londoner Hotel "Savoy" als Servicekraft arbeitete und bekannte Persönlichkeiten wie Sir Winston Churchill und Charlie Chaplin bediente, kam der überraschende Anruf aus Grevenbroich: "Die Traube steht zum Verkauf."

Der damals 24-Jährige sah seine Chance: Mit seiner Frau Elvira, die er in England kennengelernt hatte, wagte er den Schritt in die Selbstständigkeit. "Das war riskant, weil wir uns über beide Ohren verschuldeten. Doch der Erfolg bestätigte unsere jugendliche Vision", sagt Kaufmann heute. 1973 erhielt das Haus seinen ersten Michelin-Stern, 29 Jahre lang hatte es sogar zwei.

Dieter Kaufmann verwöhnte die Großen dieser Welt. Beim Weltwirtschaftsgipfel 1999 in Köln kochte er für Staatsoberhäupter wie Bill Clinton, Jacques Chirac und Tony Blair. Und 2001 servierte er Wladimir Putin sein legendäres Parfait vom Stör mit Imperial-Kaviar — das Rezept gab's obendrein in kyrillischer Schrift. Selbstverständlich gab sich die Prominenz auch in Grevenbroich die Klinke in die Hand — etwa Ex-Kanzler Gerhard Schröder oder der Rennfahrer Stirling Moss, der sich vom original "London-Taxi" der "Traube" begeistert zeigte.

Ein Kochbuch hat Dieter Kaufmann nie geschrieben. Aber seine vielen Erinnerungen möchte er gerne niederlegen, garniert mit seinen besten Rezepten. "Vielleicht ist so ein Buch eine schöne Aufgabe für den Ruhestand", überlegt er.

(NGZ)
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