Grevenbroich Steine erinnern an Opfer der NS-Zeit

Grevenbroich · Gunter Demnig setzte gestern mit dem "Arbeitskreis Judentum" des Geschichtsvereins die Stolperstein-Aktion fort.

 Künstler Gunter Demnig verlegte gestern mit Schülern der Käthe-Kollwitz-Gesamtschule Stolpersteine auf dem Gehweg der Bahnstraße in Grevenbroich. Weitere Quader wurden in Hülchrath und Gustorf-Gindorf verlegt.

Künstler Gunter Demnig verlegte gestern mit Schülern der Käthe-Kollwitz-Gesamtschule Stolpersteine auf dem Gehweg der Bahnstraße in Grevenbroich. Weitere Quader wurden in Hülchrath und Gustorf-Gindorf verlegt.

Foto: Georg Salzburg

Exakt 54 Stolpersteine erinnern nun an die Schicksale jüdischer Bürger in Grevenbroich. Der Künstler Gunter Demnig (68) verlegte gestern in der Innenstadt, in Gustorf und Hülchrath zehn weitere Quader, die an den letzten selbst gewählten Wohnort von Grevenbroichern erinnern, die im Holocaust ermordet wurden. Auf kleinen Gedenktafeln aus Messing, die in den Gehweg eingelassen werden, sind ihre Namen, ihre Geburts- und Sterbedaten zu lesen. "Ein Mensch ist erst vergessen, wenn sein Name vergessen ist", sagt Demnig. Mit den Steinen vor den Häusern will er die Erinnerung an die Menschen lebendig halten, die einst dort wohnten.

Ulrich Herlitz hat mit dem "Arbeitskreis Judentum" des Geschichtsvereins die nunmehr fünfte "Stolperstein-Aktion" initiiert. Unterstützt wird er von der Stellwerk-Initiative im Bahnhofsviertel, der Dorfgemeinschaft Hülchrath und dem Ortsnetzwerk für Gustorf und Gindorf, die als Paten auftreten. Mit dabei waren auch Schüler der Käthe-Kollwitz-Gesamtschule, die an die Schicksale jüdischer Bürger aus Grevenbroich erinnerten.

Schicksale wie das der Witwe Rose Eichengrün, deren Geschäftshaus an der heutigen Bahnstraße 16 nach dem Novemberpogrom 1938 vollständig zerstört wurde. "Nach ihrer Deportation in das Lodzer Ghetto starb sie im Vernichtungslager Chemno", berichtet Ulrich Heritz, der sich eingehend mit der Geschichte der Grevenbroicher Juden beschäftigt hat.

An der Herzogstraße 17 in Hülchrath erinnert indes ein Stein an die Familie Wolf, die bereits im Frühjahr 1938 ihren Heimatort verlassen musste, da der im Schloss residierende Leiter der NS-Bauernschule bis zur "Sonnenwendfeier" im Mai den Ort "judenfrei" haben wollte. Schon vorher musste Heinz-Alexander Wolf im Alter von nur 16 Jahren in die Niederlande fliehen, weil ihm ein Verfahren wegen "Rassenschande" mit einem "arischen" Hausmädchen drohte. Er wurde in Sobibor ermordet, seine Familie im Ghetto von Riga.

An der Friedensstraße 77 erinnert ein Stolperstein an Sara Baruch Kaufmann, die in Gindorf eine Mazzen-Bäckerei betrieb und hochbetagt jenseits der 80 ihren Heimatort verlassen musste. Ebenso wie ihre Tochter Emma Kaufmann konnte sie dem Holocaust nicht entgehen. An die Geschichte der Familie erinnerten Schülerprinzessin Nele Kremer (Gindorf) und der Jungschützenkönig Jan Rodrigo (Gustorf).

In den nächsten Jahren möchte der "Arbeitskreis Judentum" weitere Stolpersteine im Stadtgebiet verlegen. Seinen ersten Quader setzte Gunter Demnig 1996 heimlich in Berlin-Kreuzberg, seit 2000 betreibt er die Erinnerungs-Aktion legal. "Mittlerweile habe ich etwa 56.000 Stolpersteine in 20 Ländern verlegt", berichtet er: "Wenn alles gut geht, werden 2016 auch die ersten Steine in Gehsteige in Weißrussland und Lettland eingelassen."

(NGZ)
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