Spiritueller Zwischenruf aus Langwaden Die neue Normalität: „Man weiß et nich“

Langwaden · Corona habe ihn gelehrt, die Unübersichtlichkeit und Unberechenbarkeit des Lebens anzunehmen, meint Bruno Robeck, Prior der Zisterzienser aus dem Kloster Langwaden.

 Bruno Robeck ist Prior der Langwadener Zisterziensermönche.

Bruno Robeck ist Prior der Langwadener Zisterziensermönche.

Foto: Melanie Zanin

Die Coronalage ist für mich sehr unübersichtlich geworden. Oder wie der Rheinländer gerne sagt: „Man weiß et nich“. In diesem Sommer hatte ich die klassischen Coronavirussymptome. Ich war schon in größter Sorge, dass ich das Virus unwissentlich in meine Umgebung verteilt habe. Da sowohl Schnelltest als auch PCR-Test negativ waren, handelte es sich mit größter Wahrscheinlichkeit um eine sogenannte Sommergrippe. Diese ist zwar nicht so gefährlich für meine Mitmenschen. Mich selbst hat sie jedoch eine Woche aus dem Verkehr gezogen.

Vor gut einem Monat hat mich dann doch das Coronavirus erwischt. Wo genau und wann weiß ich nicht. Zwei Tage musste ich im Bett bleiben, danach fühlte ich mich wieder gut. Aufgrund des anhaltenden positiven Coronatestergebnisses war eine Woche Quarantäne angesagt. Ich war krank – ja, aber es war nicht so schlimm. Ich denke, dass auch mein guter Impfschutz zu dieser schnellen und vollständigen Genesung geführt hat.

Es gibt jedoch auch andere Berichte. Manche Verläufe sind sehr hart trotz dreimaliger Impfung, manche Ungeimpfte spüren nach einer Ansteckung kaum Symptome. Und dann gibt es noch die Longcovid-Erkrankung, die sogar nach milden Verläufen auftreten kann. Und immer noch sterben Menschen an oder mit dem Coronavirus. Die Aussagen von höchsten Stellen, dass die Coronapandemie jetzt beendet sei, macht die Situation nicht übersichtlicher. Auch die Feststellung des Stiko-Chefs Thomas Mertens, dass wir von der pandemischen in die endemische Phase eingetreten sind, ändert nichts am konkreten Erleben vor Ort. Er selbst empfiehlt dringend, auch weiterhin Maske zu tragen, wenn man sich mit vielen Menschen in geschlossenen Räumen aufhält.

Man könnte jetzt einfach resignieren und alles laufen lassen. Man könnte jetzt auch leicht in eine Extremhaltung fallen, indem man entweder die Gefährlichkeit des Coronavirus leugnet und alle Schutzmaßnahmen ablehnt oder indem man es für so gefährlich hält, dass man wieder massive Einschränkungen fordert. Hier hilft nur ein wacher Geist, der sich nicht mürbe machen lässt. Der wache Geist weiß, dass es noch nie eine Garantie für die Gesundheit gab. Er hält die Unübersichtlichkeit aus, die das Coronavirus verursacht. Wir können zurzeit nur geduldig warten und hoffen, dass die medizinische Forschung Licht in dieses Wirrwarr bringt.

Wie mir scheint, unterscheidet sich Covid-19 von den bisherigen Virenerkrankungen. Bis wir Genaueres über Covid-19 und seine Langzeitfolgen wissen, sollten wir vorsichtig sein und eine Ansteckung nicht als Bagatelle abtun. Selbst wenn die erste Infektion gut überstanden ist, kann der Verlauf einer zweiten Ansteckung ganz anders sein. Daher sollten wir weiter vorsichtig sein. Aus Verantwortung der eigenen Gesundheit und der Gesundheit unserer Mitmenschen gegenüber sollten wir die Risiken der Ansteckung minimieren und uns schützen. Die Impfung und das Masketragen sind für mich deshalb weiterhin wichtig. Corona lehrt mich, die Unübersichtlichkeit und Unberechenbarkeit des Lebens anzunehmen. Es lehrt mich, auf die Schwachen und Kranken zu schauen, die sich selbst kaum schützen können. Das ist gelebte Spiritualität in Coronazeiten, das ist die neue Normalität, aus der wir nicht herauskommen.

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