Spiritueller Zwischenruf Auf der Suche nach Schutz und Nähe

Grevenbroich · Wir zeigen uns als Gemeinschaft, wenn wir uns gegenseitig unter die (Rettungs-) Schirme lassen und den Nächsten schützen – auch durch Abstand und Maske. Dabei ist Maria ein großes Vorbild.

 Prior Bruno Robeck, Kloster Langwaden.

Prior Bruno Robeck, Kloster Langwaden.

Foto: Georg Salzburg (salz)

Obwohl schon seit vielen Jahrhunderten in der katholischen Volksfrömmigkeit fest verankert, wurde das Fest erst vor 70 Jahren durch Papst Pius XII. bestätigt. Am Samstag, 15. August, haben wir es wieder gefeiert: die Aufnahme Mariens in den Himmel. In den meisten Zisterzienserkirchen und in vielen katholischen Kirchen kann man auf dem großen Altarbild Maria sehen, die in den Himmel hinaufgehoben wird. Sie wird buchstäblich allem irdischen Leids und aller Sorge, die uns hier unten auf der Erde plagen, entrückt. Trotzdem entschwindet sie nicht dem Herzen der Gläubigen. Vielmehr hat sich in der katholischen Tradition die Überzeugung festgesetzt, dass Maria immer für uns Menschen da ist. Jetzt im Himmel kann sie dem Menschen auf Erden noch viel effektiver helfen. Aus dieser Vorstellung entstand das Bild der Schutzmantelmadonna, das die mittelalterliche Rechtsprechung aufgreift. Wem es gelang, sich unter den Mantel oder Schleier einer hochgestellten Persönlichkeit zu flüchten, war in Sicherheit und konnte erst einmal durchatmen. So wurde Maria zur großen Schutzpatronin.

Dahinter steckt die urmenschliche Erfahrung, dass wir Menschen Schutz und Nähe brauchen. Zurzeit wird uns unsere Schutzbedürtigkeit bewusst, wenn wir die Aufforderung hören, uns selbst und die anderen zu schützen – ganz praktisch durch verantwortungsvolles Handeln, wie dem Tragen einer Mundnasenmaske. Ein Schutzmantel, unter den wir schlüpfen sollten, würde uns heute eher befremden. Wohl aber suchen heute viele Menschen oder ganze Betriebe, die durch die Coronapandemie in existenzielle Not geraten sind, Rettungsschirme. Es ist gut, dass es solche Schutzschirme gibt, und es ist vor allem tröstlich, dass es Menschen gibt, die solche Schirme aufspannen.

Wer das Bild der Schutzmantelmadonna betrachtet, dem wird auffallen, dass Maria nicht nur die Gefahren von außen abschirmt. Sie scheint alle, die zu ihr kommen, um sich zu sammeln. Die Gemeinschaft umfasst Menschen in allen Lebensaltern und –lagen, die aus den verschiedensten Lebenszusammenhängen kommen. Alle Menschen sind in ihrer Schutzbedürftigkeit gleich. Alle stehen in Gefahr eng zusammen. Diese Nähe tut gut. Wir brauchen nicht nur die Nähe und Hilfe der Heiligen, sondern auch die Nähe und den Beistand der Mitmenschen.

Zusammenstehen heißt in Coronazeiten jedoch paradoxerweise, den Abstand einhalten. Das dichte Beieinandersein vieler Menschen löst in der momentanen Krise eher ein mulmiges Gefühl aus. Dann möchte man am liebsten all den Menschen auf den Gemälden der Schutzmantelmadonna einen Mundschutz aufmalen, damit die Verantwortung des einzelnen klar sichtbar wird. So ganz mit offenem Gesicht wirken die Menschen unter dem Schutzmantel bald noch phantastischer als die Schutz spendende Maria selbst: wie aus einer anderen Dimension, von einem weit entfernten Ziel her. Ja, die Vollendung, die Maria erfahren hat, ist noch weit von uns entfernt. Die Möglichkeit, dass wir uns als Gemeinschaft erfahren, liegt jedoch sehr nahe. Wir zeigen uns als Gemeinschaft, wenn wir uns gegenseitig unter die Schirme lassen und den anderen schützen – auch durch Abstand und Maske. Und wir hören nicht auf zu hoffen, bald wieder frei beieinander stehen zu können. P. BRUNO ROBECK OCIST

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