Nach sieben Fällen in fünf Wochen Warum der Rhein-Kreis Neuss Ziel der Automaten-Sprenger ist

Rhein-Kreis · Das Landeskriminalamt in Düsseldorf sieht einen regionalen Schwerpunkt bei Geldautomaten-Sprengungen im Kreisgebiet. Nach den jüngsten Sprengungen in Grevenbroich, Jüchen und Neuss erklärt das LKA, wie die Ermittler vorgehen und welche Hinweise es auf Täter gibt.

 Tatort Provinzstraße: Am 12. Januar haben Täter den Geldautomaten im SB-Pavillon der Sparkasse in Gustorf gesprengt.

Tatort Provinzstraße: Am 12. Januar haben Täter den Geldautomaten im SB-Pavillon der Sparkasse in Gustorf gesprengt.

Foto: Dieter Staniek

Beinahe jede Nacht sprengen Kriminelle irgendwo in NRW Geldautomaten – seit Beginn des Jahres Kostenpflichtiger Inhalt siebenmal allein im Rhein-Kreis Neuss. Nach drei Sprengungen und gewaltigen Zerstörungen an ihren Standorten hat die Volksbank Erft nun einige gefährdete Automaten prophylaktisch stillgelegt. Um die Bargeldversorgung der Kunden sicherzustellen, sind Volksbank und Sparkasse in Gustorf und Jüchen eine „Automaten-Kooperation“ eingegangen: Kunden beider Institute können dort die Automaten des jeweils anderen Instituts kostenfrei nutzen. In Gustorf war der SB-Pavillon der Sparkasse Mitte Januar bei einer Sprengung zerfetzt worden, wenig später knallte es bei der Volksbank in Gierath – und vor wenigen Tagen wurde auch die Voba-Filiale in Jüchen das Ziel einer Sprengstoff-Attacke.

Die Täter – das haben sie in den vergangenen Wochen mehrmals bewiesen – gehen skrupellos vor: Sie verwenden Festsprengstoff, um die Geldkassetten zu knacken. Dabei nehmen sie nicht nur Sachschäden in Kauf, sondern auch Gefahren für Anwohner. Wer sind die Täter? Und warum sind sie so schwer zu fassen? Diese Fragen beschäftigen viele, denn: Die Automaten-Sprenger scheinen fast überall gleich vorzugehen. Meist sind sie zu dritt, meist sind sie mit hochmotorisierten Fahrzeugen unterwegs. Und zu schnell für die Polizei. Eine Ausnahme: Nach der jüngsten Sprengung in Jüchen war eine Polizeistreife den mutmaßlichen Tätern so dicht auf den Fersen, dass es zu einer Kollision zwischen Polizeiauto und Täterfahrzeug kam. Den Verdächtigen gelang die Flucht dennoch.

Der Rhein-Kreis Neuss, ein Sprenger-Hotspot? Das Landeskriminalamt in Düsseldorf spricht von einem regionalen Schwerpunkt. Wie Sprecherin Maren Menke erklärt, gibt es weitere Schwerpunkte, unter anderem im Ruhrgebiet und in Ostwestfalen. Menke: „Der Rhein-Kreis Neuss befindet sich geografisch in einer zentralen Lage im westlichen Teil Nordrhein-Westfalens und bietet damit für die überwiegend aus den Niederlanden stammenden Tatverdächtigen eine zentrale Tatgelegenheitsstruktur.“ Reisende Täter, die im bargeldaffinen Deutschland auf Beutezug gehen: Damit beschäftigt sich beim LKA eine eigene Ermittlungskommission, die EK „Heat“ („Hitze“).

Laut LKA ist die Kommission Teil einer übergreifenden Struktur der Polizei NRW. Alle Sprengungen würden einer strategischen und operativen Auswertung unterzogen, heißt es. „Die Taten im Rhein-Kreis Neuss fließen in diese intensive und umfassende Bewertung genauso ein, wie alle weiteren Taten im Land NRW sowie im Bund“, sagt Sprecherin Maren Menke. Weiter bestehe ein enger Austausch mit den jeweils unmittelbar sachbearbeitenden Behörden, um Ermittlungsansätze zu gewinnen.

Hinweise auf die Tatverdächtigen sind wertvoll. So gibt es etwa ein Handy-Video eines Anwohners, das Täter nach einer Sprengung in Neuss-Reuschenberg zeigt. „Wir sind dankbar für jeden Hinweis aus der Bevölkerung“, sagt Menke. Sie weist aber auch darauf hin, dass Zeugen einer solchen Straftat werden, sich keinesfalls in Gefahr bringen sollten: „In jedem Fall sei geraten, sich die Situation gut einzuprägen, die 110 anzurufen und die Polizei zu informieren.“

Seit 2015 haben Ermittler in NRW 157 Tatverdächtige festgenommen. „Dies ist vor dem Hintergrund der hochprofessionellen Tatausführung durch die meisten Täter eine beachtliche Anzahl“, heißt es beim LKA. Die Professionalität zeichne sich aus durch eine akribische Vorbereitung, Ausführung und eine schnelle Flucht, die oftmals in die Niederlande erfolge. Durch die hohe Zahl an Geldautomaten hierzulande sei das Deliktsfeld jedoch „nach wie vor so attraktiv, dass immer mehr Täter ,nachrücken‘ und mit der Begehung derartiger Straftaten Gewinn erzielen wollen.“ Den Betreibern von Geldautomaten wird empfohlen, Nebelanlagen einzubauen und Geldfärbemittel einzusetzen. Auch sollten neue Pavillons mit massiver Stahlbeton-Konstruktion verwendet werden.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort