Grevenbroich Nun stellt die Maus die Weichen

Grevenbroich · Grevenbroich Um 11.28 Uhr wurden die Leitungen verbunden - Sonntag Mittag nahm das Elektronische Stellwerk (ESTW) Grevenbroich seine Arbeit auf, brach ein neues digitales Zeitalter an.

 Nun werden die Weichen per Mausklick gestellt: (v.r.) Gregor Wehler, ChristophHennrich (Alcatel) und Pressesprecher Udo Kampschulte in der Unterzentrale Grevenbroichbei der Vorbereitung zur Inbetriebnahme des Elektronischen Stellwerks.

Nun werden die Weichen per Mausklick gestellt: (v.r.) Gregor Wehler, ChristophHennrich (Alcatel) und Pressesprecher Udo Kampschulte in der Unterzentrale Grevenbroichbei der Vorbereitung zur Inbetriebnahme des Elektronischen Stellwerks.

Foto: Hans Jazyk

"Die Umstellung ist geglückt", erklärte Udo Kampschulte, Pressesprecher der DB Projekt-Bau.

Sämtliche Weichen und Signale auf den von Grevenbroich ausgehenden Strecken bis Holzheim, Hochneukirch, Gustorf und Rommerskirchen werden nun in Duisburg von nur einem Mitarbeiter auf dem PC-Bildschirm per Mausklick gesteuert.

Künftig sollen von dort aus an 30 Plätzen alle Hauptstrecken in NRW überwacht werden.

In den vergangenen Tagen stieg nicht nur bei Baubetriebskoordinator Gregor Wehler die Spannung, das Finale der einjährigen Umbauarbeiten stand bevor.

Um 21.55 Uhr befuhr am Samstag der letzte Zug das Streckennetz, um 22 Uhr wurden die Gleise in Grevenbroich bis Sonntag Mittag gesperrt, zahlreiche Bahnübergänge geschlossen.

Busse übernahmen den Verkehr auf der Regionalbahnlinie 38 nach Düsseldorf und der Regionalexpresslinie 8. Nur die schweren 5000-Tonnen-Erzzüge nach Dillingen durften während der Umstellung passieren.

Trotz der Betriebspause herrschte auf den Gleisen reichlich Betrieb: In der Nacht flitzten sieben Arbeitsfahrzeuge umher, rund 140 Bahn-Mitarbeiter waren im Einsatz.

Die einen schlossen die neuen Weichenantriebe an, 62 Weichen waren zuvor umgerüstet und mit elektrischer Heizung versehen worden.

Andere bauten die alten, markanten Flügelsignale ab, 115 neue Lichtsignale gingen in Betrieb. Bereits am Freitag hatten erste Umstellungsarbeiten begonnen.

Ein Stück Eisenbahnromantik verschwindet: Zum letzten Mal ging Martin Gräfrath am Samstag zum Dienst im Stellwerk in Gustorf die Treppe mit dem alten Holzgeländer hinauf.

Zum letzten Mal legte der Fahrdienstleiter die mächtigen Hebel um, mit denen über lange Drahtseile die Signale draußen umgestellt werden.

Zum letzten Mal nahm er nach dem Rasseln den Telefonhörer ab, bekam vom Fahrdienstleiter im Nachbarbahnhof einen Zug gemeldet. Vorbei.

"Das Stellwerk hier hat fast genau 100 Jahre Dienst getan", erzählt der 46-jährige Neuenhausener, der künftig in einem Stellwerk in Rheydt arbeitet.

"Diese alte mechanische Technik oder die moderneren Drucktastenstellwerke sind genauso sicher wie das Elektronische Stellwerk, aber wesentlich wartungs- und personalintensiver", erläutert Udo Kampschulte.

An einem Bedienplatz in Duisburg wird nun die Arbeit von acht Stellwerken mit 32 Mitarbeitern geleistet. "Entlassen wird aber niemand, die Kollegen erhalten neue Arbeitsplätze."

Im Vergleich zu dem aus preußischer Zeit stammenden Stellwerk nimmt sich das neue rote Gebäude am Bahnübergang Blumenstraße - die Unterzentrale des ESTW in Grevenbroich - bescheiden aus.

Dort ist ein Notbedienplatz eingerichtet, der der Technik in Duisburg entspricht.

"Hier die gelben Linien sind die Gleise, die rot markierten zeigen, dass sich gerade ein Zug auf dem Streckenabschnitt befindet", erläutert Wehler, zeigt auf einen Bildschirm mit vielen Linien und Symbolen.

Mit wenigen Mausklicks stellt er eine Weiche in Gustorf um. Im Nebenraum stehen Ständer mit einem Geflecht aus blauen, grünen, roten Kabeln.

Wir haben insgesamt 130 Kilometer Kabel verlegt", berichtet Kampschulte. Christoph Hennrich von der Firma Alcatel arbeitet derweil an einem unscheinbaren Schrank mit einem Computer.

"Darüber wird die ISDN-Verbindung nach Duisburg hergestellt."

Um 11.28 Uhr war es soweit: Nach einer Probefahrt mit einer Diesellokomotive konnten die Züge wieder rollen.

Bis 13 Uhr wurde laut Bahn der normale Fahrplan wieder aufgenommen, auch wenn es anfangs noch kleinere Verspätungen gab.

Sekt war nach der Inbetriebnahme nicht vorgesehen, schon steht weitere Arbeit an.

2007 soll der zweite Bauabschnitt des ESTW Grevenbroich bis Odenkirchen und Übach-Palenberg in Betrieb gehen.

(NGZ)
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