Grevenbroich Neue und alte Visionen für den Tagebau

Grevenbroich · Die Landes-SPD hat die Idee von einer neuen Stadt im Braunkohlerevier. Sie reiht sich nahtlos in Zukunftsprojekte ein, die für den Tagebau geschmiedet wurden. Etwa der "Europe International Airport" oder die Wasserwelt "Deep Blue".

 Auf dem ehemaligen Gebiet des Tagebaus Garzweiler soll ein riesiger See entstehen. Voraussichtlich im Jahr 2100 kann darauf gesegelt werden.

Auf dem ehemaligen Gebiet des Tagebaus Garzweiler soll ein riesiger See entstehen. Voraussichtlich im Jahr 2100 kann darauf gesegelt werden.

Foto: Plan B (Archiv)

Eine neue Stadt soll im Rheinischen Revier entstehen. Die modernste in ganz Europa. Das schlägt die Landes-SPD in ihrem Thesenpapier "NRW 2030" vor - und entwickelt damit eine weitere Vision für die Zukunft der Tagebau-Landschaft. Sie reiht sich nahtlos in große Ideen vergangener Jahre ein, die zwar eine Zeit lang für Gesprächsstoff sorgten, dann aber in der Versenkung verschwanden.

Eines der ersten Giga-Projekte für die Zeit nach der Braunkohle geriet schon in den 1990er Jahren in die Schlagzeilen: Werbeguru Thomas Rempen und Unternehmensberater Dieter Heiskel traten mit ihrer Vision vom "Europe International Airport" an die Öffentlichkeit - ein gigantischer Flughafen, der auf dem Gebiet des Tagebaus Garzweiler entstehen sollte. Das Projekt wurde bekanntlich nicht weiterverfolgt, ganz vergessen ist es jedoch nicht: Auf seiner Seite im Internet zeigt der Diplom-Ingenieur Hansjörg Bohm aus Kiel, wie der Flughafen nach seinen Vorstellungen aussehen könnte. Das Motto der Dokumentation: "Goldgrube statt Kohleloch".

2001 dann die nächste "Sensation": Jerome Glozbach, ein Student aus Köln, konfrontierte Kreis- und Stadtpolitiker mit seinen Plänen von einer 11.000 Quadratmeter großen Wasserwelt - mit langen Stränden, künstlichen Inseln, Restaurants, Wellness-Tempeln und Aquarien zum Tauchen. "Deep Blue", so der Titel des 750 Millionen Euro teuren Projekts, sollte auf der Frimmersdorfer Höhe entstehen. Doch so schön die Vorstellung von einem Riesenbad auch war, sie scheiterte genauso wie die Pläne von einem Motorsportkurs im Tagebau.

Jetzt - im Rahmen des Strukturwandelprojekts "Innovationsregion Rheinisches Revier" (IRR) - werden wieder neue, auch ungewöhnliche Ideen für die Zukunft der Tagebaue geschmiedet. Etwa Europas längster Park (70 Kilometer) entlang der ehemaligen Gruben oder eine Seilbahn als Nahverkehrsverbindung zwischen Erkelenz und Jüchen. Auch ein Kanalsystem wie in Holland, das die künftigen, riesigen Restseen mit Niers, Erft und dem Naturpark Schwalm-Nette vernetzen soll, können sich die Planer vorstellen.

Alles für die Tonne? So wie "Deep Blue" oder der Garzweiler-Airport? Nicht unbedingt, meint Landrat Hans-Jürgen Petrauschke: "Als seinerzeit die Skihalle in Neuss eröffnet wurde, haben wohl die wenigsten daran gedacht, dass sie sich zu einer Erfolgsstory entwickeln würde", sagt er. Solche Projekte könnten durchaus eine Chance haben - aber: "Mir wäre lieber, wenn erst einmal Konzepte für künftige Arbeitsplätze entwickelt würden", sagt der Landrat. Das sieht auch Jürgen Steinmetz, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Mittlerer Niederrhein, so: "Gewerbegebiete schaffen, Infrastruktur ausbauen und Lebensqualität steigern - das hat für mich Priorität. Nicht der Bau neuer Städte."

Aus einem Wettbewerb heraus hat die "Innovationsregion Rheinisches Revier GmbH" insgesamt 75 Vorschläge für die Zukunft des Reviers gesammelt, die sie in den kommenden Jahren begleiten und weiterqualifizieren will - "möglichst bis zur Realisierung", sagt Projektkoordinator Christian Wirtz. Ein großer Teil der Ideen befasse sich mit künftigen Arbeitsplätzen, wie sie etwa in neuen Gewerbegebieten in Neurath oder zwischen Jüchen und Grevenbroich entstehen sollen. Aber es gebe auch durchaus ungewöhnliche Vorschläge wie ein Solarsee im Rheinischen Revier. "Die bunte Mischung spiegelt wider, wie sich die Region ihre Zukunft nach der Braunkohle vorstellt", sagt Wirtz.

Auch mit einer neuen Stadt? "Vielleicht", meint der Landtagsabgeordnete Rainer Thiel (SPD): "Das ganze ist eine Vision. Ob die Stadt wirklich irgendwann einmal gebaut wird, kann natürlich heute noch niemand sagen." Die Landes-SPD dokumentiere damit aber, dass sie das Thema Strukturwandel in den Fokus genommen habe und ernst nehme, meint Thiel. Zwar würden Gewerbeansiedlungen auch für ihn Priorität genießen, doch er sei auch für außergewöhnliche Ideen offen: Etwa für einen Riesen-Bagger, der künftig als Symbol für den ehemaligen Braunkohleabbau auf der Vollrather Höhe aufgestellt werden soll - inklusive Restaurant.

Vom Bau einer Stadt - wenn auch einer kleinen - träumt übrigens auch die Grevenbroicher SPD. Bürgermeister Klaus Krützen und Kreisvorsitzender Daniel Rinkert haben ihre Idee von einer "Smart City" in den IRR-Wettbewerb eingebracht. Ihre Vision: Auf dem Frimmersdorfer Kraftwerks-Gelände soll künftig gelebt, gearbeitet und auch geforscht werden.

(NGZ)
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