Serie Menschen im Revier Die Tagebau-Werksärztin ist auch eine Lebensberaterin

Grevenbroich · Martina Döhmen ist die Ärztin im Tagebau. Für ihre 2200 Patienten und deren Sorgen hat sie ein offenes Ohr.

 RWE-Werksärztin Martina Döhmen ist Im Gebiet des Tagebaus Garzweiler auch auf dem Rettungswagen im Einsatz.

RWE-Werksärztin Martina Döhmen ist Im Gebiet des Tagebaus Garzweiler auch auf dem Rettungswagen im Einsatz.

Foto: Gundhild Tillmanns

Einen weißen Kittel trägt Martina Döhmen nicht, stattdessen Sicherheitsschuhe, einen Helm und die Kluft der Werkssanitäter- und -notärzte. Die 51-Jährige ist Werksärztin im Tagebau Garzweiler. Und da kann es jederzeit notwendig sein, dass sie ihre Sprechstunden in der Sanitätsstation spontan unterbrechen muss, um als Notärztin mit den RWE-Sanitätern zu einem Einsatz auf dem riesigen Werksgelände auszurücken. Vor allem versteht sich die Allgemein- und Arbeitsmedizinerin auch als Lebensberaterin für ihre immerhin 2200 Patienten im und am Tagebau.

„Da kommt alles vor“, sagt sie über das Vertrauensverhältnis, das sie in den vergangenen elf Jahren aufbauen konnte. Da gehe es auch mal um Erektionsstörungen, nicht selten um häusliche Probleme, Trennung, Kindererziehung, aber immer wieder auch um den zunehmenden psychischen Druck durch die Ungewissheit, was mit den Beschäftigten angesichts des Kohleausstieges werden soll. „Einer hat mir mal gesagt: ‚Ich weiß ja gar nicht, wo ich sonst noch hingehen soll’“, erinnert sich die Ärztin, die von sich und ihrem absoluten Wunschberuf sagt: „Man muss Menschen mögen.“

Dabei hat Martina Döhmen einen weiten Weg hinter sich gebracht, bis sie von sich sagen konnte: „Ich bin da, wo ich hin wollte. Hier kann ich zufriedenstellende Medizin machen.“ Und sie könne sich für ihre Patienten Zeit lassen.

Geboren und aufgewachsen in Viersen, wurde Martina Döhmen von ihren Eltern zunächst auf die Hauptschule geschickt: „Meine Eltern wollten auf Nummer sicher gehen“, sagt sie ohne Groll, denn sie könne deshalb heute noch „mit allen Menschen auf Augenhöhe umgehen“. Sie sagt: „Ich komme ja von unten.“ Nach dem Hauptschulabschluss besuchte sie eine Fachoberschule für Hauswirtschaft und Gesundheit, bis sie einen Ausbildungsplatz als Krankenschwester bekam. In der Abendschule machte sie Abitur und schaffte den Numerus clausus für das Medizinstudium an der Uni Düsseldorf.

Auch während ihres Studiums, bei dem sie gleich zwei Fachärzte-Disziplinen in Allgemein- und Arbeitsmedizin miteinander verbinden konnte, arbeitete sie noch als Krankenschwester in Nachtschichten. Nach den Examina folgten Jahre in Krankenhäusern, Hausarztpraxen und auch bereits als Arbeitsmedizinerin bei Ford. „Das war spannend“, sagt sie auch über ihre „Wanderjahre“ in Saarbrücken.

Zurück an den Niederrhein kam Martina Döhmen durch eine Anzeige von RWE Power: Das Unternehmen hatte für den Tagebau Garzweiler einen Werksarzt gesucht. Darauf hat sie sich gemeldet: „Hier kann ich Menschen wirklich helfen.“ Auf der einen Seite seien es die typischen Probleme mit der Muskulatur und dem Knochengerüst, das die hart körperlich arbeitenden Mitarbeiter im Tagebau hätten. Dazu kämen die typischen Zivilisationskrankheiten wie Übergewicht, Diabetes und Bluthochdruck.

Immer wieder kämen auch Patienten mit psychischen Problemen: „Der öffentliche Druck auf die RWE-Mitarbeiter ist enorm. Wir werden hier als die Bösen, als Verbrecher gesehen“, klagt die Ärztin über unreflektierte und einseitige „Aktivistenpropaganda“, unter der die Mitarbeiter zu leiden hätten. Vieles an Kummer und Sorgen laden die Mitarbeiter bei ihrer Werksärztin ab, die es dennoch versteht, diese „Kummerpakete“ nicht mit nach Hause nach Krefeld zu nehmen, wo sie mittlerweile lebt. In ihrer Freizeit malt sie, betreibt Sportarten wie Kitesurfen. Und sie reitet. „Beim Reiten kann man wunderbar abschalten, aber auch Führen lernen“, verrät die Medizinerin und Vertrauensperson für immerhin 95 Prozent „harter“ Männer und ganz wenige Frauen im Tagebau.

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