Rainer Thiel "Krankenhaus-Standorte müssen sicher sein"

Grevenbroich · Rainer Thiel MdL, Vorsitzender der SPD-Kreistagsfraktion, diskutierte mit Redaktionsleiter Ludger Baten auf dem blauen NGZ-Sofa.

 Das blaue NGZ-Sofa war jetzt zu Gast in der Villa Erckens. Im Salon des Grevenbroicher Museums diskutierte Rainer Thiel, Chef der SPD-Kreistagsfraktion, mit Redaktionsleiter Ludger Baten.

Das blaue NGZ-Sofa war jetzt zu Gast in der Villa Erckens. Im Salon des Grevenbroicher Museums diskutierte Rainer Thiel, Chef der SPD-Kreistagsfraktion, mit Redaktionsleiter Ludger Baten.

Foto: Lothar Berns

Herr Thiel, der Landtag hat die 2,5-Prozent-Hürde beschlossen. Damit soll eine Zersplitterung in Kreistagen und Räten verhindert werden. Sie waren dafür. Warum?

Rainer Thiel Es ist doch so: Kleinere Gruppierungen brauchen weniger Volksstimmen, um ein Mandat zu erlangen, als die großen. Außerdem passiert es, dass taktische Fraktionen gebildet werden, nur um mehr Aufwandsentschädigungen und Sitze zu bekommen. Nicht zuletzt dauert die politische Arbeit sehr lange, weil halt jeder zu allem sein Statement abgeben muss. Das alles ist oft nicht im Sinne der Sache. Wir brauchen eine gute Entscheidungsfindung und starke Parteien, die das leisten können. 2,5 Prozent sind eine moderate Angelegenheit, ich hätte mir eine höhere Zahl gewünscht.

Gleichwohl funktioniert Demokratie doch auch in einem bunten Rat.

Thiel Es werden aber auch Mehrheiten gebildet, die andere am Erfolg hindern wollen. Ich finde es grundsätzlich gut, wenn um den besten Weg gerungen wird - aber je mehr Gruppierungen in einem Rat sind, desto schwieriger wird das.

Sind Sie sicher, dass die 2,5-Prozent-Hürde Bestand haben wird? Die Piraten haben immerhin angekündigt, den Weg zum Verfassungsgericht antreten zu wollen.

Thiel Die 2,5-Prozent-Hürde ist in aller Sorgfalt vorbereitet worden. Ich bin zuversichtlich, dass sie daher auch die verfassungsrechtliche Hürde nehmen wird.

Die SPD im Südkreis hat sich dafür ausgesprochen, dass Sie 2017 wieder für den Landtag kandidieren sollen. Ein gutes Gefühl, oder?

Thiel Ja, das ist es. Ich glaube, dass ich gute Arbeit geleistet und die richtigen Ausschüsse gewählt habe, die auch zu meinem Wahlkreis passen. Und ganz ehrlich: Ich freue mich darüber, dass das auch so von der SPD gesehen wird.

Was kann denn ein Abgeordneter in Düsseldorf überhaupt für seinen Wahlkreis tun?

Thiel Vorweg: Der Südkreis ist etwas Besonderes. Es gibt keinen Wahlkreis in NRW, in dem so viel Industrie versammelt ist wie hier. Wir haben unter anderem den Chempark, Industriehäfen, die Aluminiumindustrie, drei Kraftwerksstandorte und eine Chips-Fabrik. Aber auch einen schönen ländlichen Raum, starkes Handwerk und Mittelstand. Das muss man verstehen, wenn man Einfluss nehmen will. Ich bin daher im Wirtschafts- und Umweltausschuss, bin Sprecher der SPD für den Klimaschutzplan NRW, war in den Enquete-Kommissionen zur Zukunft der Chemie und bin Sprecher der SPD für das Handwerk. Viel mehr Einfluss kann man als Abgeordneter eines Wahlkreises nicht erreichen. Das ist gut für diesen Wahlkreis.

Hans-Christian Markert, den sie im vergangenen Jahr noch als Landrats-Kandidaten unterstützt haben, wird sich für die Grünen in Ihrem Wahlkreis für den Landtag bewerben. Überrascht?

Thiel Ich habe das aus der Zeitung erfahren. Und ja, es hat mich überrascht. Mal abwarten, wie es läuft.

Die Meinungsumfragen für Ihre Partei sind nicht gerade rosig. Macht Ihnen das Sorgen?

Thiel Ich mache meine Arbeit - aber natürlich bewegen mich auch Umfragen. Ich bewerte sie aber als eine derzeitige Kampagne gegen die SPD, und sehe nicht, dass wir auf diesen Werten bleiben werden. Erst recht nicht in NRW. Ich bin zuversichtlich, dass Hannelore Kraft die Sympathie, die sie bei der Bevölkerung in unserem Bundesland genießt, auch in Wählerstimmen umsetzen wird.

Eine Frage an Sie als Chef der SPD-Kreistagsfraktion: Ist das Amt des Oppositionsführers nicht manchmal schwierig, wenn der Kreis in überregionalen Rankings eine so gute Position einnimmt?

Thiel Die Rankings sind hervorragend. Sie sind aber nicht die Ergebnisse des Kreises, sondern die der Wirtschaft und der Menschen, die hier arbeiten. Wenn der Kreis behauptet, er hätte das alles erreicht, müsste er auch Verantwortung übernehmen, wenn mal was schief läuft. Ich mache mir Sorgen um die energieintensiven Betriebe, die sicher in die Zukunft gebracht werden müssen. Es reicht nicht, wenn der Kreis bei Umfragen auf dem ersten Platz steht, es muss auch Zukunftsvorsorge betrieben werden. Da passiert mir zu wenig.

Da sind wir beim Strukturwandel. Die Zeit des Tagebaus ist mittelfristig endlich. . .

Thiel Hambach geht 2030 vom Netz, Inden und Garzweiler können noch bis circa 2045 weiterlaufen. Zurzeit wird die Leitentscheidung in der Staatskanzlei erarbeitet, sie wird wohl zum Sommer vorliegen. Darin wird geregelt sein, dass in Garzweiler auch im vierten Abschnitt Braunkohle abgebaut werden kann, ohne zeitliche Befristung. Das ist dann ein Riesenfortschritt. Ich habe daran mitgewirkt, darauf bin ich stolz.

Für den Strukturwandel muss aber ein Plan her. Mein Eindruck: Wir sind noch in einem frühen Stadium.

Thiel In den 90er Jahren hat die SPD schon Arbeitskreise unter dem Titel "Strukturwandel jetzt!" gegründet. Nur hatten wir weder im Kreis noch in der Stadt Grevenbroich die erforderlichen Mehrheiten. Es hat seine Zeit gebraucht, bis dass das Thema wieder in der Region angekommen ist. In der "Innovationsregion Rheinisches Revier" werden tolle Ideen für den Strukturwandel entwickelt. Grevenbroich hinkt etwas hinterher, hat aber gute Chancen, gute Zukunftsstrukturen zu entwickeln.

Und auch die nötigen Flächen?

Thiel Das Frimmersdorfer Kraftwerksgelände wird erst in den 20er Jahren frei. Wir brauchen aber schon jetzt geeignete Grundstücke, darum bemühe ich mich. Bei Neurath liegt eine etwa 300 Hektar große, sogenannte landesbedeutsame Entwicklungsfläche für industrielle Großvorhaben. Das ist ein Schatz, den wir heben müssen. Dann wird der Strukturwandel in den nächsten zehn bis 15 Jahren gelingen.

Ihr Lieblingsthema scheint der S-Bahn-Anschluss für die Stadt Grevenbroich zu sein. Werden Sie den noch erleben?

Thiel Die Menschen wollen an die Metropolen Düsseldorf und Köln angebunden sein - und zwar ohne den Fahrplan im Kopf zu haben. Wo es S-Bahnen gibt, werden sie rege genutzt. Durch die Entwicklung des Kölner Hauptbahnhofs haben wir nun die Chance, in Grevenbroich einen S-Bahn-Knotenpunkt hinzubekommen. Sicherlich kostet der auch Geld. Aber wem es wert ist, für die Menschen hier etwas Gutes zu tun, sollte die Kosten nicht scheuen. Wenn wir Geld in die Hand nehmen, kriegen wir auch eine S-Bahn.

Es wird viel über die Zukunft der Kreiskrankenhäuser Grevenbroich und Dormagen geredet. Auslöser war deren Chef Ralf Nennhaus, der sich im Herbst in Richtung Moers neuorientieren wird. Wie geht es weiter?

Thiel Wir legen Wert darauf, dass die Personalangelegenheit vernünftig und zeitnah geregelt wird. Grevenbroich und Dormagen sind hervorragende Krankenhäuser, die wirtschaftlich arbeiten. Natürlich steht auch der Träger in der Verantwortung, er muss investieren, wenn Bedarf besteht. Wichtig ist, die Häuser gut auf dem Markt zu positionieren und sie wettbewerbsfähig zu halten. Die beiden Standorte müssen gesichert werden.

Der Kreis hat seine Hausaufgaben doch offensichtlich gemacht. In seinen Kliniken werden nur acht Prozent der Betten abgebaut, in Düsseldorf sind es 20 Prozent. Wenn es um die Zukunft der Standorte geht, wird es doch wohl künftig nicht ohne Gespräche mit dem städtischen Lukas-Krankenhaus in Neuss gehen, oder?

Thiel Die drei kommunalen Krankenhäuser haben schon jetzt viel miteinander zu tun, und es ist richtig, wenn das noch verstärkt wird. Wenn nun aber Schlagworte wie "Privatisierung" kursieren, schürt das Ängste unter den Mitarbeitern. Was schlecht ist, denn die Krankenhäuser sind Großbetriebe. Bleibt die Motivation auf der Strecke, kommt es leicht zu einer Schieflage. Und es geht mir einfach zu schnell, schon jetzt eine GmbH ins Gespräch zu bringen. Da steht ein Druck hinter, der misstrauisch macht. Ich bin der Meinung, dass wir Spezialisierungen an den Standorten brauchen, dazu will ich erst einmal etwas hören. Erst muss über Perspektiven und dann über neue Rechtsformen gesprochen werden.

WILJO PIEL FASSTE DAS GESPRÄCH ZUSAMMEN.

(NGZ)
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