Kolumne aus dem Kloster Langwarden „Es gibt kein Leben ohne Leiden“

Grevenbroich · Prior Bruno Robeck aus dem Kloster Langwaden zeigt in seinem spirituellen Zwischenruf auf, was wir über die Osterfeiertage von Jesu Leidensgeschichte für unser tägliches Leben mitnehmen können. Und er beschreibt, wie wir aus ihr etwas über unseren Umgang mit der Pandemie lernen können.

 Prior Bruno Robeck

Prior Bruno Robeck

Foto: Melanie Zanin

Es hatte schon etwas Tragikkomisches, als die Bundeskanzlerin am vergangenen Montag eine fünftägige Ruhezeit über die Kar- und Ostertage anordnete. Aus kirchlicher Sicht hätte man sich freuen können, denn ein solches Innehalten hätte dazu beitragen können, ab Gründonnerstag die Tage des Leidens und Sterbens Jesu besinnlicher und intensiver zu betrachten. Aber darum ging es nicht. Der Großteil unserer Gesellschaft hätte diese Verbindung ohnehin nicht herstellen können. Der Karfreitag wäre nur geschickt als Brückentag genutzt worden. Nun bleibt der Karfreitag doch von zwei normalen Wochentagen eingerahmt. Am Gründonnerstag muss sich jeder wieder selbst Zeit freischaufeln, wenn er der Feier des Letzten Abendmahls Jesu gedenken will.

Sowohl die Pandemie als auch die Karwoche konfrontieren uns mit einer Wirklichkeit, der wir lieber ausweichen: das Leiden. Es gibt kein Leben ohne Leiden. In den letzten Wochen haben wir jeden Freitag gemeinsam den Kreuzweg gebetet. Es ist schon eine verrückte Idee, sich regelmäßig für eine Dreiviertelstunde mit dem Leidensweg Jesu von seiner Verurteilung bis zur Grablegung zu beschäftigen. Am Gründonnerstag und Karfreitag werden wir besonders tief in die Passionsgeschichte Jesu eintauchen. Jesus hat das Leiden nicht gesucht, aber hat es angenommen. Sein Kreuzweg und seine Passion zeigen, dass das Leiden nicht um jeden Preis aus dem Leben verbannt werden muss.

Es kann Situationen geben, in denen es äußerst sinnvoll ist. Allein diese Erkenntnis ist entlastend, obwohl sie gleichzeitig eine große Last aufbürdet. Diese Erkenntnis kann auch in der aktuellen Situation helfen. Leider ist sie heute vielfach verloren gegangen. Wer sie laut verkündet, wird viele Zeitgenossen provozieren. Natürlich kann sie auch missverstanden werden, wenn sie mit aktiver Suche nach Leiderfahrungen verwechselt wird. Ich bin sehr dankbar für die Palliativmedizin und die Schmerztherapien. Wir wissen jedoch auch, dass manche Wachstumserfahrungen mit Schmerzen verbunden sind.

Jesus nimmt das Leiden auf sich, weil er anders nichts mehr für die Menschen tun kann. Ihm bleibt nur noch die freiwillige Hingabe am Kreuz, um Gottes bedingungslose Liebe sichtbar zu machen. Menschen nehmen bewusst Einschränkungen oder Gefahren auf sich, um anderen zu helfen. Wieviel Kraft kosten die Kinder ihren Eltern oder später umgekehrt die alt gewordenen Eltern ihren erwachsenen Kindern? Doch sie bringen sie gerne auf – aus Liebe. Der Schlüssel, mit Leiden richtig umzugehen, ist die Liebe. Die Leiden der Pandemie fordern uns heraus. Es kommt darauf an, wie wir mit ihnen umgehen: ob wir versuchen, sie möglichst von uns selbst wegzudrücken und dann zum Nächsten hinschieben oder ob wir sie annehmen und mit dem anderen gemeinsam tragen lernen. Wem letzteres gelingt, der wird gestärkt aus der Karwoche und der Pandemie hervorgehen.

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