Spiritueller Zwischenruf aus dem Kloster Langwaden „Ein Leben wie in der Schwebe“

Meinung | Grevenbroich · Prior Bruno Robeck aus dem Kloster Langwaden beschäftigt sich in seiner Kolumne diesmal mit dem Schwebezustand – in der Bekämpfung der Pandemie, in der Kirche und in der Zeit bis zur Bildung einer neuen Regierung.

Mit zwei Gedenktagen hat mich der katholische Kosmos in der vergangenen Woche in eine Dimension katapultiert, die vielen Menschen zugänglich sein dürfte. Eher nüchtern und sachlich, aber doch bestimmt hat die katholische Kirche die biblisch verbürgten Erzengel Michael, Gabriel und Rafael und die Schutzengel gefeiert. Für die meisten Menschen ist es nicht schwierig, an die Existenz von Engeln zu glauben. Sie sind davon überzeugt, dass es solche geistigen Wesen gibt, die schützen und helfen.

 Bruno Robeck aus dem Zisterzienser-Kloster Langwaden.

Bruno Robeck aus dem Zisterzienser-Kloster Langwaden.

Foto: Melanie Zanin

Manchmal sind die Engel auch normale Menschen und heißen Horst, Gertrud, Marvin oder Luca. Nach biblischem Verständnis handeln die Engel nie im eigenen Namen, sondern immer im Auftrag Gottes. Durch sie wird Gott selbst spürbar. Mirfällt vor allem auf, dass die Engel immer in Bewegung sind. Im Alten Testament sieht Jakob die Engel im Traum auf der Himmelsleiter auf- und absteigen (vgl. Gen 28,12). Jesus sagt, dass die Engel einst auf- und niedersteigen werden über dem Menschensohn (vgl. Joh 1,51).

Die Engel stehen nicht still – vom Sitzen ganz zu schweigen. Sie haben keinen Boden unter den Füßen, aber sie fallen auch nicht ins Bodenlose. Vielmehr scheinen sie zu schweben. Sie leben in einem dynamischen Zustand. Die namentlich bekannten Engel werden zu Menschen geschickt, deren Leben ebenfalls in der Schwebe ist. Als der Erzengel Gabriel zu Maria kommt, steht sie vor der tiefgreifendsten Entscheidung ihres Lebens. Der Erzengel Michael tritt auf den Plan, als die Strukturen in der Welt zusammenbrechen und das Böse zu siegen droht. Michael schützt die Schwachen und verhilft der Gerechtigkeit wieder zum Durchbruch. In Krankheit und Leiden, die den Menschen aus der Bahn werfen können, erscheint plötzlich der Erzengel Rafael. Er gibt dem jungen Tobias Orientierung und durch sein Wissen kann dessen kranker Vater geheilt werden. Engel leben in der Schwebe und begleiten Menschen in Schwebesituationen. Wieviel ist aktuell bei uns in der Schwebe? Immer wieder stellen sich neue Fragen, wie sich die Corona-Pandemie entwickelt: weltweit und konkret bei uns. Durch neue Erkenntnisse gibt es neue Antworten. Es gilt, diesen dynamischen Zustand der Pandemiebekämpfung auszuhalten. Wie entwickelt sich die Kirche weiter durch den synodalen Weg und durch die päpstliche Entscheidung für das Erzbistum Köln? Auch hier gilt es, den Schwebezustand zu akzeptieren. Die verschiedenen Meinungen sollten sich nicht gegenseitig herunterdrücken, sondern versuchen, in größtmöglicher Leichtigkeit und Gelassenheit einander zu verstehen, weil sich alle in der Schwebe befinden.

Ähnliches gilt für die bevorstehende Regierungsbildung. Was für die Engel eine Selbstverständlichkeit ist, bleibt für uns Menschen eine ständige Herausforderung: im Schwebezustand zu leben. Aber wer genau hinsieht, wird feststellen, dass wir meistens keinen festen oder nur sehr wackligen Boden unter den Füßen haben. Wir können von den Engel lernen, dass es darauf ankommt, in Bewegung zu bleiben. Wir können uns sogar der Dynamik des Auf- und Niedersteigens anvertrauen, weil das Vorbild der Engel zeigt, dass wir nicht ins Bodenlose fallen werden. Wir werden Engel finden und wir können Engel werden. Auch das ist in der Schwebe.
P. BRUNO ROBECK OCIST

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