Grevenbroich Kohlegegner blockieren Straßen und Gleise
Grevenbroich · Nachdem mehrere Hundert Aktivisten am Samstag die Nord-Süd-Bahn und die Straßen rund um das Neurather Kraftwerk blockierten, verlief der gestrige Tag eher ruhig. Am frühen Morgen kletterten elf Braunkohlegegner auf einen Bagger im Tagebau Garzweiler, um dort ein Transparent zu enthüllen.
Aktionen von Klimaaktivisten rund um das Kraftwerk Neurath
Insgesamt zog die Polizei eine positive Einsatzbilanz: "Seit Donnerstag konnten wir verhindern, dass Hunderte in die Tagebaue eindringen oder Kraftwerke besetzen." Ein endgültiges Fazit der "Aktionstage" im Revier soll in den nächsten Tagen bei einer Pressekonferenz gezogen werden. Ein großer Teil der Aktivisten hat gestern das noch bis Dienstag laufende Klimacamp in Erkelenz verlassen - aber sie wollen wiederkommen. "Zu Beginn der UN-Klimaverhandlungen im November in Bonn werden wir zu Massenaktionen zivilen Ungehorsams aufrufen", kündigte Janna Aljets, Sprecherin von "Ende Gelände", an.
Rund um das Neurather Kraftwerk stand am Samstag Nachmittag der Verkehr still. Mehr als 200 Aktivisten der Aktion "Kohle ersetzen" hockten sich für mehrere Stunden singend ("Ihr kommt nicht ins Kraftwerk rein") auf die Fahrbahnen und blockierten sämtliche Zufahrtsstraßen. Autofahrer mussten teilweise weite Umwege nehmen, um an ihr Ziel zu gelangen. Nicht weit von den Straßenblockaden entfernt, legten etwa 300 Braunkohlegegner an drei Stellen die Nord-Süd-Bahn in Sichtweite des BoA-Kraftwerks für sechs Stunden lahm. Eine vierte Gleisblockade verhinderte die Polizei, die auf einem Acker etwa 600 Klimaschützer einkesselte. Versuche, die Absperrungen gewaltsam zu durchbrechen, wehrten die Beamten ab. Nach dem gestrigen Stand wurden laut Polizei eine Demonstrantin und sieben Polizisten verletzt. "Ende Gelände" spricht hingegen von fünf Aktivisten, die mit Knochenbrüchen ins Krankenhaus gebracht werden mussten.
Im Laufe des Samstagabends löste die Polizei alle Blockaden auf, nahm die Aktivisten in Gewahrsam und brachte sie mit Gelenkbussen zur Gefangenensammelstelle in Mönchengladbach. Wegen der Unwegsamkeit des Geländes mussten einige Protestler mit Zügen von RWE über die Nord-Süd-Bahn-Trasse abtransportiert werden.
Nachdem ihre Personalien festgestellt worden waren, wurden die Demonstranten wieder entlassen. Es seien Strafverfahren wegen des Verdachts der Störung öffentlicher Betriebe, gefährlichen Eingriffs in den Bahnverkehr sowie Nötigung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte eingeleitet worden, teilte die Aachener Polizei gestern mit. Revierweit waren am Samstag etwa 2500 Polizisten aus Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz im Einsatz. Die Kosten des Großaufgebots schätzt Arnold Plickert, Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei in NRW, auf 80.000 bis 100.000 Euro - "pro Tag". Beobachter der Blockaden an der Nord-Süd-Bahn waren unter anderem Anton Hofreiter, Chef der Grünen-Fraktion im Bundestag, und Aachens Polizeipräsident Dirk Weinspach.
Die überwiegend friedlich verlaufenen Proteste hätten keine größeren Auswirkungen auf die Betriebe von RWE Power gehabt, sagte Sprecher Lothar Lambertz. Die Gleisbesetzungen hätten lediglich "kurzfristig dazu geführt, dass die Kraftwerksleistung im Revier über einige Stunden um rund sechs Prozent (etwa 600 Megawatt) abgesenkt werden musste". Der Konzern kündigte an, dass er "das Eindringen in die Produktionsstätten und andere strafbare Handlungen straf- und zivilrechtlich verfolgen" werde. Einen "besonderen Dank" richtete Lambertz an die RWE-Mitarbeiter und Partnerfirmen, "die in einer schwierigen Situation besonnen dafür gesorgt haben, die Stromerzeugung verlässlich zu gewährleisten".
Nach Angaben von "Ende Gelände" waren am Samstag etwa 1200 Aktivisten im Einsatz, um bei Neurath gegen Braunkohle zu protestieren - das ist etwas mehr als die Polizei schätzt. In der Spitze seien etwa 3000 Menschen in den Camps in Erkelenz und Bedburg gewesen, darunter auch internationale Demonstranten. Sprecherin Janna Aljets zeigte sich am Sonntag zufrieden mit den Ergebnissen der "entschlossenen und friedlichen" Blockade-Aktionen der vergangenen Tage. Am Freitag und Samstag sei es gelungen, die Kohlebahn über 15 Stunden zu besetzen, zudem habe RWE vier Kraftwerksblöcke für 20 Stunden drosseln müssen. Bis morgen verbleiben noch einige hundert Menschen in den Klimacamps.