Grevenbroich Jüdische Grabsteine gerettet

Grevenbroich · Steinmetz Michael Geuer rettete 1943 die Grabsteine auf dem Jüdischen Friedhof, trotzte den Nationalsozialisten. Jetzt übereignete die Grevenbroicher Familie die Grabmäler dem Landesverband der jüdischen Gemeinden.

Manche Grabmäler sind 170 Jahre alt, einige Inschriften vom Alter verwittert. Zwischen den Steinen blühen Schneeglöcken. Ein Ort der Stille und der Erinnerung ist der Jüdische Friedhof mit etwa 80 Gräbern hinter dem Caritas-Haus St. Barbara-Haus an der Montanusstraße. Dass er so erhalten blieb, ist einem Mann zu verdanken – Steinmetz Michael Geuer: Er rettete die Stelen im Zweiten Weltkrieg vor der Zerstörung – gegen Forderungen der Nationalsozialisten.

Gestern übereignete die Familie Geuer, die den 132 Jahre alten Steinmetz-Betrieb betreibt, die Stelen und Platten dem Landesverband der Jüdischen Gemeinden von Nordrhein – ebenso die des Jüdischen Friedhofs in Hemmerden. Jetzt sind der Boden und die Grabsteine wieder in einer Hand – besiegelt durch einen Handschlag zwischen dem Sohn und Wilfried Johnen, Geschäftsführer des Landesverbandes. Sohn (71) und Enkel (44) heißen wie ihr Vorfahre Michael Geuer.

Grevenbroich 1943: Ein Jahr zuvor hatten die Machthaber die letzte jüdische Familie deportiert. "Danach wollten die Nationalsozialisten die Spuren jüdischen Lebens beseitigen", erklärt Ulrich Herlitz, der sich mit der Geschichte der Judenverfolgung befasst. Die Reichsvereinigung der Juden habe von den Machthabern den Auftrag für den Zwangsverkauf der Grabsteine auf jüdischen Friedhöfen bekomen. In Grevenbroich erhielt Steinmetz Michael Geuer, der 1978 starb, das Kaufangebot. Doch er handelte nicht im Sinne des Regimes: "Statt die Steine abzutragen und zu verwerten, erhielt er sie. Mein Vater hatte auf dem Gymnasium jüdische Mitschüler, er arbeitete auch viel für jüdische Menschen", schildert Michael Geuer (71).

Die Verzögerungstaktik des Vaters hatte Erfolg: 1945 war das Regime am Ende. "Eine mutige Tat", bewertet Herlitz. "Örtliche Nationalsozialisten hatten ihn – ohne Erfolg – unter Druck gesetzt. "In anderen Orten wurden Grabmäler geschleift, für neue Grabsteine verwendet", so Herlitz. Der Friedhof in Grevenbroich, den die Stadt pflegt, blieb erhalten. "Es ist an der Zeit", begründet Sohn Geuer die Übereignung der Grabmäler mit Unterstützung der NRW-Staatskanzlei, seit längerem liefen Gespräche. "Die Steine sind sichtbarer Teil der Geschichte, Zeugen der Tatsache, dass Juden entrechtet, enteignet, ermordet wurden", so Hans-Jörg Lieberoth-Leden von der Staatskanzlei.

Spuren des Handelns von Vater und Großvater bleiben. Die Familie hat Kontakt zu Menschen, deren Vorfahren auf dem Friedhof beerdigt wurden, etwa zu David Fleck aus Israel. Und der große Metallschlüssel zum einstigen Eingangstor ist noch erhalten.

(NGZ)
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