Grevenbroich In der "Jägersruh" endet nach 42 Jahren eine Ära

Grevenbroich · In der "Jägersruh" feierten alle: Schützen, Skatspieler, Kicker und Nachbarn. Die Wirtsleute Schneider hoffen auf einen Nachfolger.

 Schenken Ende des Monats die letzte Runde in der "Jägersruh" aus: Margret und Rudolf Schneider ziehen sich nach fast 42 Jahren zurück.

Schenken Ende des Monats die letzte Runde in der "Jägersruh" aus: Margret und Rudolf Schneider ziehen sich nach fast 42 Jahren zurück.

Foto: Lothar Berns

"Wir sind keine Wirtsleute, aber wir sind es geworden." Wer Margret Schneider vor 42 Jahren gesagt hätte, dass sie mit ihrem Mann Rudolf einmal eine Kneipe führen würde, die zum zweiten Zuhause vieler Schützen und Südstädter werden würde, der hätte wohl nur ein Kopfschütteln geerntet. Kostüm und hochhackige Schuhe gehörten zu ihrem Beruf als Sekretärin, ehe sie am 15. März 1973 die "Jägersruh" und das Regiment in der Küche übernahm. "Vorher hatte ich nie für viele Leute gekocht", erinnert sich Margret Schneider (73). Heute, nach fast 42 Jahren, muss sie gar nicht mehr überlegen, wer lieber Schnitzel als Currywurst isst, wer Pils oder Alt trinkt. Die "Jägersruh" ist Lebensmittelpunkt geworden. Doch am Sonntag, 29. Juni, werden die letzten Bestellungen aufgegeben: Dann ziehen sich die Eheleute vom Tresen zurück.

Die Kneipe an der Neuenhausener Straße wurde in den 1960er Jahren errichtet, zuvor war das Haus des Holzschuhmachers Büttgen abgerissen worden. Die Erftwerksiedlung, damals ein stark expandierender Stadtteil, sollte ihre zweite Gaststätte neben dem "Blauen Aap" erhalten. "In den ersten Jahren wechselten sehr oft die Wirtsleute" erinnert sich Heinz Füsser. Anfang 1973 wurde nach sechs Pächtern der nächste Wechsel angekündigt: Rudolf Schneider, vormals Friseur, und Ehefrau Margret übernahmen das Lokal; zur Eröffnung kostete das Glas Bier 60 Pfennig. Obwohl beide Grevenbroicher waren, waren die Südstädter skeptisch: Wie lange würden beide wohl bleiben?

Sie bleiben - bis jetzt. In der "Jägersruh" schlug bald das Herz des Schützenwesens: 17 Züge aus dem Bürgerschützenverein Grevenbroich, zwei aus Allrath wählten die Kneipe zum Versammlungslokal, viele Zugkönige ließen sich hier feiern, der Königskreis traf sich, und das traditionelle Fischessen zwei Tage nach Schützenfest war derart gefragt, das es direkt an zwei Tagen angeboten wurde. Auf dem Königsbalken, direkt gegenüber der Theke, wurde so mancher Schütze überredet, doch einmal den Königsvogel ins Visier zu nehmen. Begonnen hatte diese Verbundenheit 1976, als Willi Krahwinkel, der Nachbar des Lokals, zum BSV-Präsidenten gewählt wurde und die "Jägersruh" zum Stammlokal erkor. Weitere Grevenbroicher Züge folgten.

Auch Fußballer feierten hier Siege oder versuchten Niederlagen zu vergessen, die Skatspieler trainierten und an den Karnevalstagen ging es in der "Jägersruh" hoch her. Höhepunkt des Jahres: Wenn Rudolf Schneider zum Geburtstag am Jahresende Freibier ausgab.

Viele Fotoalben hat Margret Schneider gefüllt, etwa mit Bildern von Schlagersängerin Andrea Berg, die ihre treuen Fans einmal an der Neuenhausener Straße besuchte. "Eigentlich kann ich mir das Leben ohne die ,Jägersruh' gar nicht vorstellen", sagt die Oma von vier Enkeln. Worüber sie sich im wohlverdienten Ruhestand am meisten freuen würde: "Wenn das Lokal bald wieder verpachtet wird." Dass man zum Gastwirt werden kann, das haben die Schneiders selbst erlebt.

(NGZ)
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