Für schnelle Hilfe Ein Grevenbroicher Netzwerk für Frauen in Not

Grevenbroich · Die Zahl der Fälle, in denen Frauen häusliche Gewalt erfahren und Hilfe suchen, steigt. Wie Betroffene in Grevenbroich schnell Hilfe erhalten und wo sie sich melden können.

 Wollen Frauen in Not helfen: Die Netzwerkpartner bei einem Treffen im städtischen Familienbüro, bei dem auch Info-Plakate vorgestellt wurden.

Wollen Frauen in Not helfen: Die Netzwerkpartner bei einem Treffen im städtischen Familienbüro, bei dem auch Info-Plakate vorgestellt wurden.

Foto: Kandzorra, Christian

Wenn Ira Klug am Montagmorgen in ihr Büro kommt, arbeitet sie erst einmal das Wochenende auf. Von Freitag bis Sonntag sind es zwischen zehn und 18 Fälle, die sich anhäufen – zehn bis 18 Menschen in Not, die die Opferschutzbeauftragte der Kreispolizeibehörde Neuss nach Einsätzen ihrer Kollegen im Streifendienst kontaktiert. In den meisten Fällen sind es Frauen, die häusliche Gewalt erfahren haben. Frauen, die verängstigt sind, weil sie geschlagen wurden und weil es oft der eigene Ehemann ist, der sie bedroht. „In den meisten Fällen besteht eine zeitliche Dringlichkeit“, sagt die Kriminalhauptkommissarin, die gemeinsam mit einem Kollegen im Opferschutz tätig ist. Die zeitliche Dringleichkeit besteht auch deshalb, weil die Polizei die Täter meist nur für zehn Tage des Hauses verweisen kann. Zehn Tage, in denen es viel zu regeln gilt.

Die Opferschutzbeauftragte vermittelt die betroffenen Frauen oft an die Interventionsstelle der Frauenberatung im Rhein-Kreis Neuss, einem Angebot des Vereins „Frauen helfen Frauen“. Im Jahr 2020 waren es rund 200 Frauen, die von den Beraterinnen in der Interventionsstelle betreut wurden. „Das erste Telefonat ist entscheidend, da muss das Eis gebrochen werden“, sagen Daniela Schligten und Fleur König von der Frauenberatung. Einige Damen, mit denen sie sprechen, sind stark verängstigt, fürchten sich vor den Tätern, die ihnen Leid antun – und sind in höchster Not. Die Beraterinnen helfen, in dem sie den Betroffenen Ratschläge geben, wie sie sich verhalten sollen, wie sie einen Ausweg finden. Im Extremfall können sie Frauen auch an Frauenhäuser vermitteln, in denen sie geschützt sind.

Wie Daniela Schligten und Fleur König berichten, ist die Zahl der Fälle häuslicher Gewalt wieder gestiegen, seit dem nach den Corona-Lockdowns wieder Normalität in das Leben der meisten Menschen eingekehrt ist. „Viele Frauen finden selbst den Weg zu uns und rufen an“, sagt Schligten. Das ging in der Hochphase der Pandemie oft nicht, weil die Betroffenen keinen Ort hatten, an dem sie ungestört telefonieren konnten. Die Rückkehr zur Normalität bedeutet auch: Diejenigen, die gewalttätig sind, gehen wieder normal ihrer Arbeit nach, sind vielleicht nicht mehr im Homeoffice. Dadurch trauen sich mehr Betroffene, Hilfe zu suchen.

Um den betroffenen Frauen möglichst schnell Hilfe bieten zu können, hat die Stadt Grevenbroich das Projekt „Hilfe für Frauen in Not“ gestartet. Die vielen Stellen, die Frauen in Ausnahmesituationen helfen können, sollen sich besser kennenlernen, der Netzwerkgedanke soll gefestigt werden. „Auch möchten wir das Thema häusliche Gewalt mehr in das öffentliche Bewusstsein rücken“, sagt Jugenddezernent Florian Herpel. Längst nicht alle Fälle häuslicher Gewalt würden bekannt, man müsse von einer erheblichen Dunkelziffer ausgehen.

Die Stadt hat dazu gemeinsam mit den Akteuren, die Hilfe bieten, Plakate und Info-Karten im Taschenformat erstellt, die jetzt unter anderem im Familienbüro ausgelegt werden. Das Info-Material ist mit einem QR-Code versehen, der ein einfaches Abspeichern von Hilfs-Kontakten im Handy ermöglicht. Mit dem gestärkten Netzwerk zur Hilfe für Frauen in Not soll auch ein „Irrlauf durch Institutionen“ verhindert werden, erklärt Florian Herpel. Frauen sollen so gezielt an die für sie geeigneten Stellen vermittelt werden und möglichst schnell aus ihrer Notsituation herausfinden können.

Dass häusliche Gewalt ein Thema ist, kann auch die Leiterin des städtischen Familienbüros an der Breite Straße, Sara Clauß, bestätigen. Das Thema komme immer wieder auf. Teil des Netzwerks sind auch das Jugendamt um Leiterin Birgit Schikora, die Alte Feuerwache, die Gleichstellungsbeauftragten sowie einige Partner, etwa das Café Kultus, der Jugendtreff St. Joseph, der Jugendmigrationsdienst und der Rheinflanke-Treff. Alle Akteure sollen sich besser kennenlernen; bei einem Workshop am Montag lernten sie darüber hinaus, wie sie Frauen in Not fachlich zugewandt begegnen und mögliche Schritte zur Begleitung einleiten können.

Auch für Daniela Schligten und Fleur König von der Frauenberatungsstelle im Rhein-Kreis Neuss ist die Pflege der Kontakte im Hilfs-Netzwerk von großer Bedeutung, weil auch sie wiederum an andere Hilfsstellen weitervermitteln können. 2020 sollen sie – mit den Fällen aus der Interventionsstelle – zusammengerechnet etwa 800 Frauen kreisweit betreut haben, viele auch aus Grevenbroich. „Häusliche Gewalt zieht sich durch alle Schichten der Gesellschaft“, sagt Fleur König. „Auch wenn das Thema in der öffentlichen Wahrnehmung kaum präsent ist.“

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