Strukturwandel im Rheinischen Revier Der Kohleaustieg rückt näher

Grevenbroich/Jüchen · Der vorläufige Bericht der Kohlekommission lässt auch für die Bürgermeister der Städte Grevenbroich und Jüchen noch viele Fragen offen. Die Enthüllung des „Geheimnisses“ zum Kohleausstieg ließ am Freitag auf sich warten. Die Bewertung des Ausstieges soll aber ab 2026 erfolgen.

 Das Kohlekraftwerk Frimmersdorf ist schon außer Betrieb und nur noch in Sicherheitsbereitschaft.

Das Kohlekraftwerk Frimmersdorf ist schon außer Betrieb und nur noch in Sicherheitsbereitschaft.

Foto: Dieter Staniek

Alle warteten am Freitag ungeduldig auf die endgültige „Urteilsverkündung“ der sogenannten Berliner „Kohlekommission“ zu einem Ausstiegsdatum aus der Braunkohle-Verstromung. Tagsüber „sickerte“ der vorläufige Bericht, ohne die entscheidenden, konkreten Kohleausstiegszahlen für das Rheinische Revier durch. Die lassen sich aber ableiten aus der Formulierung: „Das Abschlussdatum für die Kohleverstromung sollte im Jahr 2026 und 2029 einer umfassenden Überprüfung durch ein unabhängiges Expertengremium hinsichtlich der Auswirkungen auf die Erreichung der Klimaziele, die Entwicklung des Strompreises und der Versorgungssicherheit...angepasst werden.“ Demnach müssten zuvor unter anderem auch das Kraftwerk in Neurath abgeschaltet und entsprechend der Tagebau Garzweiler eingestellt werden. RWE will den vorläufigen Kommissionsbericht nicht kommentieren. Auf Redaktionsanfrage hieß es am Freitag: RWE sei überzeugt, dass die Kommission eine Planungssicherheit für die Energiewirtschaft herstellen werde, Perspektiven für die Menschen in den Regionen aufzeigen und zur Befriedung eines gesellschaftlichen Konflikts beitragen könne. „An Spekulationen zu möglichen Zwischenständen wollen wir uns nicht beteiligen“, sagte Konzernsprecher Lothar Lambertz.

Fakt ist, dass Grevenbroich und Jüchen unter einem Wegfall der Gewerbesteuern, die noch durch den Betrieb der Kraftwerke, des Tagebaus und der Kieswerke von RWE abgeführt werden, erhebliche Einbußen zu erwarten haben. Über die Höhe der Gewerbesteueraufkommen durch RWE schweigen sich die Bürgermeister Harald Zillikens und Klaus Krützen mit dem Hinweis auf das Steuergesetz zwar aus. Der Grevenbroicher Stadtsprecher Stephan Renner spricht von „einer großen Summe“. Und Grevenbroich müsse durch den Kohleausstieg mit dem Wegfall von mindestens 4500 Arbeitsplätzen rechnen. In Jüchen seien auch die Arbeitsplätze bei Zulieferern und Partnerfirmen von RWE bedroht, zum Beispiel die Schlosserei Bayer und Lenzen in Hochneukirch. Der Jüchener Bürgermeister hofft aber immer noch auf die im Jahr 2016 von der Landesregierung getroffenen Leitentscheidung zum Tagebau Garzweiler, die bis 2045 läuft. Er sagte deshalb zum vorläufigen Kommissionsbericht: „Der ist wenig konkret. Wir warten ab, was die Kommission konkret vorschlagen wird. Ich erhoffe mir zumindest Aussagen und Empfehlungen über Zeitachsen.“ Für ihn werde entscheidend sein, wie das Land NRW, das ja für die konkrete Umsetzung und Planung zuständig sei, den politischen Willen aus Berlin umsetzen werde. „Wir müssen uns in der Stadt und im Zweckverband „Tagebaunachfolge(n)landschaften auf alle Eventualitäten vorbereiten“, verdeutlichte Zillikens.

Er sagt außerdem: „Die Auswirkungen in unserer Region und in unserer Stadt sind mit jedem Jahr, das der Tagebau weniger läuft, gravierender. Ob die Stromversorgung dann sicher und bezahlbar bezweifle ich.“ Bund und Land seien gefordert, die Kommunen langfristig und nachhaltig finanziell bei der Schaffung adäquater Arbeitsplätze zu unterstützen. Dazu gehöre vor allen Dingen den Ausbau der öffentlichen Infrastruktur mit Verkehrswegen, wie etwa der S-Bahn Venlo-MG-Jüchen-Köln- Flughafen, fordert Zillikens.

Und Zillikens fordert: „Nach mehr als sechs Jahrzehnten Tagebau haben wir einen Anspruch auf vollständige Rekultivierung unseres Stadtgebietes.“ Dabei seien für ihn selbstverständlich, dass die Jahrzehnte alten Rekultivierungspläne der Tagebaue Garzweiler I und II nach den heutigen Ansprüchen neu gedacht werden müssten.

Der Grevenbroicher Bürgermeister Klaus Krützen sagte am Freitag zu dem vorläufigen Kommissionsbericht: „Positiv ist, dass Projekte wie die S-Bahn-Verbindung Köln-Mönchengladbach, die Smart City Frimmersdorf oder die Ausweisung weiterer Gewerbeflächen eingeflossen sind.“ Allerdings sei aus seiner Sicht nicht ausreichend berücksichtigt, dass die Kommunen ebenfalls direkt betroffen seien. „Wenn die Städte noch stärker gestaltend für den Strukturwandel tätig sein sollen, benötigen sie auch die notwendigen Ressourcen dafür. Für die direkt betroffenen Arbeitnehmer bleibt zudem eine große Unsicherheit, wie es mit ihnen weitergeht“, sagt Krützen. Der Bericht lasse viele Fragen offen, er biete nicht ausreichend Planungssicherheit und Perspektiven für die Region. „Da muss noch was kommen!“, fordert Krützen.

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